[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Erstes Wäldchen. ich nicht, wie irgend die Rede, die blos hörbare Re-de anschauende Erkänntniß wirken könnte: denn Bilder würde ich sagen, sind nicht hörbar. So sehe ich nicht, wie irgend die Rede zusammenhan- gende Bilderbegriffe erwecken könne; denn die suc- cessiven Töne hangen nicht zusammen. So sehe ich endlich auch nicht, wie in der Seele aus vielen Theilbegriffen ein Ganzes, z. E. der Ode, des Be- weises, des Trauerspiels entstehen könnte; denn die ganze Succession der Töne macht kein solches Gan- zes: "für das Ohr sind die vernommenen Theile jedesmal verloren." Es läßt sich also hieraus Alles oder Nichts folgern. Noch weniger folgt hieraus, "die Untauglich- Noch weniger hieraus, daß das Wesen der Ja nicht einmal, daß sich "nur aus diesen "Ho- a) p. 174. 175. b) p. 154. 155. c) p. 155. O 2
Erſtes Waͤldchen. ich nicht, wie irgend die Rede, die blos hoͤrbare Re-de anſchauende Erkaͤnntniß wirken koͤnnte: denn Bilder wuͤrde ich ſagen, ſind nicht hoͤrbar. So ſehe ich nicht, wie irgend die Rede zuſammenhan- gende Bilderbegriffe erwecken koͤnne; denn die ſuc- ceſſiven Toͤne hangen nicht zuſammen. So ſehe ich endlich auch nicht, wie in der Seele aus vielen Theilbegriffen ein Ganzes, z. E. der Ode, des Be- weiſes, des Trauerſpiels entſtehen koͤnnte; denn die ganze Succeſſion der Toͤne macht kein ſolches Gan- zes: „fuͤr das Ohr ſind die vernommenen Theile jedesmal verloren.„ Es laͤßt ſich alſo hieraus Alles oder Nichts folgern. Noch weniger folgt hieraus, „die Untauglich- Noch weniger hieraus, daß das Weſen der Ja nicht einmal, daß ſich „nur aus dieſen „Ho- a) p. 174. 175. b) p. 154. 155. c) p. 155. O 2
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Erſtes Waͤldchen.
ich nicht, wie irgend die Rede, die blos hoͤrbare Re-
de anſchauende Erkaͤnntniß wirken koͤnnte: denn
Bilder wuͤrde ich ſagen, ſind nicht hoͤrbar. So
ſehe ich nicht, wie irgend die Rede zuſammenhan-
gende Bilderbegriffe erwecken koͤnne; denn die ſuc-
ceſſiven Toͤne hangen nicht zuſammen. So ſehe
ich endlich auch nicht, wie in der Seele aus vielen
Theilbegriffen ein Ganzes, z. E. der Ode, des Be-
weiſes, des Trauerſpiels entſtehen koͤnnte; denn die
ganze Succeſſion der Toͤne macht kein ſolches Gan-
zes: „fuͤr das Ohr ſind die vernommenen Theile
jedesmal verloren.„ Es laͤßt ſich alſo hieraus
Alles oder Nichts folgern.
Noch weniger folgt hieraus, „die Untauglich-
keit der ganzen deſcriptive Poetry a), das Unpoeti-
ſche aller malenden Poeſie.
Noch weniger hieraus, daß das Weſen der
Dichtkunſt Fortſchreitung ſey b); daß die Dicht-
kunſt nur eine einzige Eigenſchaft der Koͤrper nutzen
muͤſſe: daß Einheit der maleriſchen Beiwoͤrter ihr
Regel ſey c) —
Ja nicht einmal, daß ſich „nur aus dieſen
„Grundſaͤtzen die große Manier Homers beſtimmen
„und erklaͤren ließe.„ Jch laͤugne Hrn. L. viel,
und in ſeinem Grunde Alles, aber darum laͤugne ich
nicht alle Sachen, die nur Er auf dieſen Grund
bauet. — Darf ich von Homer anfangen? —
„Ho-
a) p. 174. 175.
b) p. 154. 155.
c) p. 155.
O 2
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