[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Kritische Wälder. was er will; aber woher kann ers haben? DenBegriff der Handlung fand er in der Succession; und daß sie nur fortschreitende Gegenstände schilde- re, schloß er, weil sie in successiven Tönen schildert -- wo bleibt hier die Kette? Gesetzt, daß das Auf- einanderfolgen der Töne in der Dichtkunst das wäre, was das Nebeneinanderseyn der Farben in der Ma- lerei: welche Proportion ist in dem Successiven der Töne, und in dem Successiven der Gegenstände, die sie schildert: Wie weit halten diese einen Schritt? Wie kann man auch nur an Vergleichung denken? Und wie weit weniger Eins aus dem andern zu schließen? -- Und wenn sie auch denn Successio- nen schilderte, warum müssen diese Successionen Handlungen seyn? u. s. w. Die Gränzscheidung nach solch einem Risse kann kaum richtig seyn. Kaum richtig von Seiten der Malerei, "ihr Noch minder aber von Seiten der Dichtkunst, ich a) p. 178. 179.
Kritiſche Waͤlder. was er will; aber woher kann ers haben? DenBegriff der Handlung fand er in der Succeſſion; und daß ſie nur fortſchreitende Gegenſtaͤnde ſchilde- re, ſchloß er, weil ſie in ſucceſſiven Toͤnen ſchildert — wo bleibt hier die Kette? Geſetzt, daß das Auf- einanderfolgen der Toͤne in der Dichtkunſt das waͤre, was das Nebeneinanderſeyn der Farben in der Ma- lerei: welche Proportion iſt in dem Succeſſiven der Toͤne, und in dem Succeſſiven der Gegenſtaͤnde, die ſie ſchildert: Wie weit halten dieſe einen Schritt? Wie kann man auch nur an Vergleichung denken? Und wie weit weniger Eins aus dem andern zu ſchließen? — Und wenn ſie auch denn Succeſſio- nen ſchilderte, warum muͤſſen dieſe Succeſſionen Handlungen ſeyn? u. ſ. w. Die Graͤnzſcheidung nach ſolch einem Riſſe kann kaum richtig ſeyn. Kaum richtig von Seiten der Malerei, „ihr Noch minder aber von Seiten der Dichtkunſt, ich a) p. 178. 179.
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Kritiſche Waͤlder.
was er will; aber woher kann ers haben? Den
Begriff der Handlung fand er in der Succeſſion;
und daß ſie nur fortſchreitende Gegenſtaͤnde ſchilde-
re, ſchloß er, weil ſie in ſucceſſiven Toͤnen ſchildert
— wo bleibt hier die Kette? Geſetzt, daß das Auf-
einanderfolgen der Toͤne in der Dichtkunſt das waͤre,
was das Nebeneinanderſeyn der Farben in der Ma-
lerei: welche Proportion iſt in dem Succeſſiven der
Toͤne, und in dem Succeſſiven der Gegenſtaͤnde,
die ſie ſchildert: Wie weit halten dieſe einen Schritt?
Wie kann man auch nur an Vergleichung denken?
Und wie weit weniger Eins aus dem andern zu
ſchließen? — Und wenn ſie auch denn Succeſſio-
nen ſchilderte, warum muͤſſen dieſe Succeſſionen
Handlungen ſeyn? u. ſ. w. Die Graͤnzſcheidung
nach ſolch einem Riſſe kann kaum richtig ſeyn.
Kaum richtig von Seiten der Malerei, „ihr
„Weſen ſei, Koͤrper zu ſchildern,„ wenigſtens bin
ich mir fortſchreitenderer Handlungen der Malerei
bewuſt, als wovon Hr. L. ein Beiſpiel giebt a):
naͤmlich eine Drapperie, die in ihrem Wurfe zwei
Augenblicke vereinige.
Noch minder aber von Seiten der Dichtkunſt,
wo aus dem Succeſſiven der Toͤne wenig oder
nichts folgt. Nicht: daß ſie keine Koͤrper ſchil-
dern ſolle; denn koͤnnen keine ſucceſſiven Toͤne Be-
griffe von coexſiſtirenden Dingen erwecken; ſo ſehe
ich
a) p. 178. 179.
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