[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Erstes Wäldchen. zur Erde reißen können; ich aber, fährt er fort,"wenn ich ziehen wollte, mit Erde und Meer würde "ich sie aufziehen, alsdenn die Kette um den Gi- "pfel des Olympus schlingen: da hingen sie Alle in "der Höhe. So weit mächtiger bin ich, als Götter "und Menschen." Es kann kein erhabener und einfältiger Bild gefunden werden, als dies von der Uebermacht des höchsten Gottes; allein ein Bild von der Uebergröße dieses Gottes über Götter und Menschen findet sich nicht. So wird die Größe Neptunus durch seine an a) Welch ein Bild giebt der auf Jda die Waage des Schicksals haltende Jupiter! Die Schaale der Grie- chen sinkt zur Erde: die Schaale der Trojaner steigt zum Himmel -- wie stark ist der wägende Arm des Gottes! Th. 339. Solche Bilder liefert Homer, und keine Maasstäbe! M
Erſtes Waͤldchen. zur Erde reißen koͤnnen; ich aber, faͤhrt er fort,„wenn ich ziehen wollte, mit Erde und Meer wuͤrde „ich ſie aufziehen, alsdenn die Kette um den Gi- „pfel des Olympus ſchlingen: da hingen ſie Alle in „der Hoͤhe. So weit maͤchtiger bin ich, als Goͤtter „und Menſchen.„ Es kann kein erhabener und einfaͤltiger Bild gefunden werden, als dies von der Uebermacht des hoͤchſten Gottes; allein ein Bild von der Uebergroͤße dieſes Gottes uͤber Goͤtter und Menſchen findet ſich nicht. So wird die Groͤße Neptunus durch ſeine an a) Welch ein Bild giebt der auf Jda die Waage des Schickſals haltende Jupiter! Die Schaale der Grie- chen ſinkt zur Erde: die Schaale der Trojaner ſteigt zum Himmel — wie ſtark iſt der waͤgende Arm des Gottes! Θ. 339. Solche Bilder liefert Homer, und keine Maasſtaͤbe! M
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Erſtes Waͤldchen.
zur Erde reißen koͤnnen; ich aber, faͤhrt er fort,
„wenn ich ziehen wollte, mit Erde und Meer wuͤrde
„ich ſie aufziehen, alsdenn die Kette um den Gi-
„pfel des Olympus ſchlingen: da hingen ſie Alle in
„der Hoͤhe. So weit maͤchtiger bin ich, als Goͤtter
„und Menſchen.„ Es kann kein erhabener und
einfaͤltiger Bild gefunden werden, als dies von der
Uebermacht des hoͤchſten Gottes; allein ein Bild
von der Uebergroͤße dieſes Gottes uͤber Goͤtter und
Menſchen findet ſich nicht.
So wird die Groͤße Neptunus durch ſeine
Schritte a) mehr errathen und angedeutet, als ge-
ſchildert: denn eine Ausmeſſung ſeiner ganzen Ge-
ſtalt, nach Maasgabe dieſer Schritte, waͤre unge-
heuer und nicht Homeriſch. Vielmehr hat der
weiſe Dichter auch hier in Aeußerung der Groͤße
durch die Staͤrke, und der Staͤrke durch Bewegung
eine Leiter geſetzt, um nach der Stufe ſeiner Goͤtter
auch ihnen die Wuͤrde zuzuwiegen, die die groͤßeſte
Kraft mit der groͤßeſten Sparſamkeit des Ausdrucks
aͤußert. So wie der Hoͤchſte der Goͤtter ſeine Groͤße
durch einen Wink: ſo zeigt der Naͤchſte nach ihm
an
a) Welch ein Bild giebt der auf Jda die Waage des
Schickſals haltende Jupiter! Die Schaale der Grie-
chen ſinkt zur Erde: die Schaale der Trojaner ſteigt
zum Himmel — wie ſtark iſt der waͤgende Arm des
Gottes! Θ. 339. Solche Bilder liefert Homer, und
keine Maasſtaͤbe!
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