Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797.Von Güssen überströmt. Es laureten Von Guͤſſen uͤberſtroͤmt. Es laureten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="4"> <pb facs="#f0095" n="88"/> <l>Von Guͤſſen uͤberſtroͤmt. Es laureten</l><lb/> <l>Auf uns die Tiger. Endlich kamen wir</l><lb/> <l>In unſerm Flecken an. Dem Juͤngling war</l><lb/> <l>Beſchwerlich unſre Kleidung; eingepreßt</l><lb/> <l>Konnt' er in ihr nicht ſchreiten, klettern nicht</l><lb/> <l>Auf Baͤume, die hier fehlten. Er vermißte</l><lb/> <l>Das ſchoͤne Gruͤn, den dunkeln kuͤhlen Wald.</l><lb/> <l>Und ob wir dann und wann mitleidig auch</l><lb/> <l>Sie in entlegne Schatten fuͤhrten; ach!</l><lb/> <l>Es war nicht ihr geliebter Schatte. Brennend,</l><lb/> <l>Verzehrend lag auf ihnen hier die Glut</l><lb/> <l>Der Sonne. Fieber, Kopf- und Augenweh,</l><lb/> <l>Und tiefe Schwermuth, Eckel aller Speiſen,</l><lb/> <l>Kraftloſigkeit, Auszehrung folgeten.</l><lb/> <l>Am erſten ſchwand die Mutter hin; ſie ward</l><lb/> <l>Getauft und ſtarb mit chriſtlicher Ergebung.</l><lb/> <l>Die Tochter, Arapotija, die <hi rendition="#g">Bluͤthe</hi></l><lb/> <l><hi rendition="#g">Des Tages</hi> ſonſt, man kannte ſie nicht mehr.</l><lb/> <l>Verbluͤhet war ſie und verdorrt; ſie folgte</l><lb/> <l>Der Mutter bald ins Grab. Ihr folgeten</l><lb/> <l>Viel Thraͤnen: denn ſie war die Unſchuld</l><lb/> <l>ſelbſt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [88/0095]
Von Guͤſſen uͤberſtroͤmt. Es laureten
Auf uns die Tiger. Endlich kamen wir
In unſerm Flecken an. Dem Juͤngling war
Beſchwerlich unſre Kleidung; eingepreßt
Konnt' er in ihr nicht ſchreiten, klettern nicht
Auf Baͤume, die hier fehlten. Er vermißte
Das ſchoͤne Gruͤn, den dunkeln kuͤhlen Wald.
Und ob wir dann und wann mitleidig auch
Sie in entlegne Schatten fuͤhrten; ach!
Es war nicht ihr geliebter Schatte. Brennend,
Verzehrend lag auf ihnen hier die Glut
Der Sonne. Fieber, Kopf- und Augenweh,
Und tiefe Schwermuth, Eckel aller Speiſen,
Kraftloſigkeit, Auszehrung folgeten.
Am erſten ſchwand die Mutter hin; ſie ward
Getauft und ſtarb mit chriſtlicher Ergebung.
Die Tochter, Arapotija, die Bluͤthe
Des Tages ſonſt, man kannte ſie nicht mehr.
Verbluͤhet war ſie und verdorrt; ſie folgte
Der Mutter bald ins Grab. Ihr folgeten
Viel Thraͤnen: denn ſie war die Unſchuld
ſelbſt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |