so geräth man mit ihr in ein Labyrinth der verflochtensten, widrigsten Staatsin- teresse, persönlicher Anmaaßungen und Staatslisten. Ein großer Theil der Bege- benheiten unsrer zwei letzten Jahrhunderte, die sogenannten Denkwürdigkeiten, (me- moires) Lebensbeschreibungen, politische Testamente sind in diesem Sinn, dem Geist Richelieu's, Mazarin's, und frü- her noch Carls 5., Philipp 2., Phi- lipps des schönen, Ludwigs 11. 13. 14. kurz im Geist der Spanisch-Fran- zösischen Staatspolitik geschrieben. Ein fürchterlicher Geist, der sich zum Wohl des Staats, d. i. zum Ruhm und zur größeren Macht der Könige, zur Sicher- heit und Größe ihrer Minister alles erlaubt hielt! In welcher Geschichte er durch- blickt, schwärzt er das Glänzendste mit dem Schatten der Eitelkeit, der Truglist,
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ſo geraͤth man mit ihr in ein Labyrinth der verflochtenſten, widrigſten Staatsin- tereſſe, perſoͤnlicher Anmaaßungen und Staatsliſten. Ein großer Theil der Bege- benheiten unſrer zwei letzten Jahrhunderte, die ſogenannten Denkwuͤrdigkeiten, (me- moires) Lebensbeſchreibungen, politiſche Teſtamente ſind in dieſem Sinn, dem Geiſt Richelieu's, Mazarin's, und fruͤ- her noch Carls 5., Philipp 2., Phi- lipps des ſchoͤnen, Ludwigs 11. 13. 14. kurz im Geiſt der Spaniſch-Fran- zoͤſiſchen Staatspolitik geſchrieben. Ein fuͤrchterlicher Geiſt, der ſich zum Wohl des Staats, d. i. zum Ruhm und zur groͤßeren Macht der Koͤnige, zur Sicher- heit und Groͤße ihrer Miniſter alles erlaubt hielt! In welcher Geſchichte er durch- blickt, ſchwaͤrzt er das Glaͤnzendſte mit dem Schatten der Eitelkeit, der Trugliſt,
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ſo geraͤth man mit ihr in ein Labyrinth
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Staatsliſten. Ein großer Theil der Bege-
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die ſogenannten Denkwuͤrdigkeiten, (me-
moires) Lebensbeſchreibungen, politiſche
Teſtamente ſind in dieſem Sinn, dem Geiſt
Richelieu's, Mazarin's, und fruͤ-
her noch Carls 5., Philipp 2., Phi-
lipps des ſchoͤnen, Ludwigs 11. 13. 14.
kurz im Geiſt der Spaniſch-Fran-
zoͤſiſchen Staatspolitik geſchrieben.
Ein fuͤrchterlicher Geiſt, der ſich zum Wohl
des Staats, d. i. zum Ruhm und zur
groͤßeren Macht der Koͤnige, zur Sicher-
heit und Groͤße ihrer Miniſter alles erlaubt
hielt! In welcher Geſchichte er durch-
blickt, ſchwaͤrzt er das Glaͤnzendſte mit
dem Schatten der Eitelkeit, der Trugliſt,
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/170>, abgerufen am 16.02.2025.
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