Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797.nur weil man mich verkennt. Aus einigen nur weil man mich verkennt. Aus einigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0111" n="104"/> nur weil man mich verkennt. Aus einigen<lb/> dramatiſchen Verſuchen, die ich gewagt habe,<lb/> ſollte man nicht ſo freigebig folgern. Nicht<lb/> jeder, der den Pinſel in die Hand nimmt<lb/> und Farben verquiſtet, iſt ein Mahler. Die<lb/> aͤlteſten von jenen Verſuchen ſind in den Jah-<lb/> ren hingeſchrieben, in welchen man Luſt und<lb/> Leichtigkeit ſo gern fuͤr Genie haͤlt. Was in<lb/> den neuern Ertraͤgliches iſt, davon bin ich mir<lb/> bewußt, daß ich es einzig und allein der Kri-<lb/> tik zu verdanken habe. Ich fuͤhle die leben-<lb/> dige Quelle nicht in mir, die durch eigne Kraft<lb/> ſich empor arbeitet, durch eigne Kraft in ſo<lb/> reichen, ſo friſchen, ſo reinen Stralen auf-<lb/> ſchießt, ich muß alles durch Druckwerk und<lb/> Roͤhren bei mir heraufpreſſen. Ich wuͤrde ſo<lb/> arm, ſo kalt, ſo kurzſichtig ſeyn, wenn ich<lb/> nicht einigermaßen gelernt haͤtte, fremde Schaͤ-<lb/> tze beſcheiden zu borgen, an fremdem Feuer<lb/> mich zu waͤrmen und durch die Glaͤſer der<lb/> Kunſt mein Auge zu ſtaͤrken. Ich bin daher<lb/> immer beſchaͤmt oder verdrießlich geworden,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [104/0111]
nur weil man mich verkennt. Aus einigen
dramatiſchen Verſuchen, die ich gewagt habe,
ſollte man nicht ſo freigebig folgern. Nicht
jeder, der den Pinſel in die Hand nimmt
und Farben verquiſtet, iſt ein Mahler. Die
aͤlteſten von jenen Verſuchen ſind in den Jah-
ren hingeſchrieben, in welchen man Luſt und
Leichtigkeit ſo gern fuͤr Genie haͤlt. Was in
den neuern Ertraͤgliches iſt, davon bin ich mir
bewußt, daß ich es einzig und allein der Kri-
tik zu verdanken habe. Ich fuͤhle die leben-
dige Quelle nicht in mir, die durch eigne Kraft
ſich empor arbeitet, durch eigne Kraft in ſo
reichen, ſo friſchen, ſo reinen Stralen auf-
ſchießt, ich muß alles durch Druckwerk und
Roͤhren bei mir heraufpreſſen. Ich wuͤrde ſo
arm, ſo kalt, ſo kurzſichtig ſeyn, wenn ich
nicht einigermaßen gelernt haͤtte, fremde Schaͤ-
tze beſcheiden zu borgen, an fremdem Feuer
mich zu waͤrmen und durch die Glaͤſer der
Kunſt mein Auge zu ſtaͤrken. Ich bin daher
immer beſchaͤmt oder verdrießlich geworden,
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