Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

es immer für Französische Eitelkeit: wie weit
haben wir noch hin, ehe wir zu so einer Ei-
telkeit fähig seyn werden! Was Wunder
auch? Unsre Gelehrten selbst sind klein ge-
nug, die Nation in der Geringschätzung alles
dessen zu bestärken, was nicht geradezu den
Beutel füllet. Man spreche von einem Wer-
ke des Genies, von welchem man will; man
rede von der Aufmunterung der Künstler;
man äußere den Wunsch, daß eine reiche blü-
hende Stadt der anständigsten Erholung für
Männer, die in ihren Geschäften des Tages
Last und Hitze getragen, und der nützlichsten
Zeitkürzung für andre, die gar keine Geschäf-
te haben wollen, durch ihre bloße Theilneh-
mung aufhelfen möge: -- und sehe und höre
um sich." *)

32.

"Es ist einem jeden vergönnt, seinen eig-
nen Geschmack zu haben; und es ist rühmlich,

*) Dramat. St. 18.
Neunte Sammlung. G

es immer fuͤr Franzoͤſiſche Eitelkeit: wie weit
haben wir noch hin, ehe wir zu ſo einer Ei-
telkeit faͤhig ſeyn werden! Was Wunder
auch? Unſre Gelehrten ſelbſt ſind klein ge-
nug, die Nation in der Geringſchaͤtzung alles
deſſen zu beſtaͤrken, was nicht geradezu den
Beutel fuͤllet. Man ſpreche von einem Wer-
ke des Genies, von welchem man will; man
rede von der Aufmunterung der Kuͤnſtler;
man aͤußere den Wunſch, daß eine reiche bluͤ-
hende Stadt der anſtaͤndigſten Erholung fuͤr
Maͤnner, die in ihren Geſchaͤften des Tages
Laſt und Hitze getragen, und der nuͤtzlichſten
Zeitkuͤrzung fuͤr andre, die gar keine Geſchaͤf-
te haben wollen, durch ihre bloße Theilneh-
mung aufhelfen moͤge: — und ſehe und hoͤre
um ſich.“ *)

32.

„Es iſt einem jeden vergoͤnnt, ſeinen eig-
nen Geſchmack zu haben; und es iſt ruͤhmlich,

*) Dramat. St. 18.
Neunte Sammlung. G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0104" n="97"/>
es immer fu&#x0364;r Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Eitelkeit: wie weit<lb/>
haben wir noch hin, ehe wir zu &#x017F;o einer Ei-<lb/>
telkeit fa&#x0364;hig &#x017F;eyn werden! Was Wunder<lb/>
auch? Un&#x017F;re Gelehrten &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ind klein ge-<lb/>
nug, die Nation in der Gering&#x017F;cha&#x0364;tzung alles<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en zu be&#x017F;ta&#x0364;rken, was nicht geradezu den<lb/>
Beutel fu&#x0364;llet. Man &#x017F;preche von einem Wer-<lb/>
ke des Genies, von welchem man will; man<lb/>
rede von der Aufmunterung der Ku&#x0364;n&#x017F;tler;<lb/>
man a&#x0364;ußere den Wun&#x017F;ch, daß eine reiche blu&#x0364;-<lb/>
hende Stadt der an&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;ten Erholung fu&#x0364;r<lb/>
Ma&#x0364;nner, die in ihren Ge&#x017F;cha&#x0364;ften des Tages<lb/>
La&#x017F;t und Hitze getragen, und der nu&#x0364;tzlich&#x017F;ten<lb/>
Zeitku&#x0364;rzung fu&#x0364;r andre, die gar keine Ge&#x017F;cha&#x0364;f-<lb/>
te haben wollen, durch ihre bloße Theilneh-<lb/>
mung aufhelfen mo&#x0364;ge: &#x2014; und &#x017F;ehe und ho&#x0364;re<lb/>
um &#x017F;ich.&#x201C; <note place="foot" n="*)">Dramat. St. 18.</note></p><lb/>
        <p>32.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t einem jeden vergo&#x0364;nnt, &#x017F;einen eig-<lb/>
nen Ge&#x017F;chmack zu haben; und es i&#x017F;t ru&#x0364;hmlich,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Neunte Sammlung. G</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0104] es immer fuͤr Franzoͤſiſche Eitelkeit: wie weit haben wir noch hin, ehe wir zu ſo einer Ei- telkeit faͤhig ſeyn werden! Was Wunder auch? Unſre Gelehrten ſelbſt ſind klein ge- nug, die Nation in der Geringſchaͤtzung alles deſſen zu beſtaͤrken, was nicht geradezu den Beutel fuͤllet. Man ſpreche von einem Wer- ke des Genies, von welchem man will; man rede von der Aufmunterung der Kuͤnſtler; man aͤußere den Wunſch, daß eine reiche bluͤ- hende Stadt der anſtaͤndigſten Erholung fuͤr Maͤnner, die in ihren Geſchaͤften des Tages Laſt und Hitze getragen, und der nuͤtzlichſten Zeitkuͤrzung fuͤr andre, die gar keine Geſchaͤf- te haben wollen, durch ihre bloße Theilneh- mung aufhelfen moͤge: — und ſehe und hoͤre um ſich.“ *) 32. „Es iſt einem jeden vergoͤnnt, ſeinen eig- nen Geſchmack zu haben; und es iſt ruͤhmlich, *) Dramat. St. 18. Neunte Sammlung. G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/104
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/104>, abgerufen am 24.11.2024.