die Schwärmerei, als Butlers Hudi- bras ist; auch hat es zur damaligen Zeit seinen Zweck mehr erreicht, als wenn der Dichter auf den königlichen Märty- rer das frömmste Heldengedicht geschrieben hätte; wer indessen wird es jetzt ohne eini- gen Ueberdruß, wenigstens ohne den Wunsch lesen, daß sein Verfasser die Gabe der Muse, die er besaß, edler angewandt hät- te? -- Swift, vielleicht der strengste Ver- standesmann, den England unter seine Schriftsteller zählet, der unbestochenste Rich- ter in Sachen des Geschmacks und der Schreibart, gab sich von bösen Zeitverbin- dungen gelockt, ins Feld der Satyre; -- wer aber ist, der von Anfange bis zu Ende seines Lebens ihn deßwegen nicht bitter beklaget? So treffend seine Streiche, so vernünftig seine Raserei in Einkleidungen und Gleichnissen seyn mag, wie anders sind
die Schwaͤrmerei, als Butlers Hudi- bras iſt; auch hat es zur damaligen Zeit ſeinen Zweck mehr erreicht, als wenn der Dichter auf den koͤniglichen Maͤrty- rer das froͤmmſte Heldengedicht geſchrieben haͤtte; wer indeſſen wird es jetzt ohne eini- gen Ueberdruß, wenigſtens ohne den Wunſch leſen, daß ſein Verfaſſer die Gabe der Muſe, die er beſaß, edler angewandt haͤt- te? — Swift, vielleicht der ſtrengſte Ver- ſtandesmann, den England unter ſeine Schriftſteller zaͤhlet, der unbeſtochenſte Rich- ter in Sachen des Geſchmacks und der Schreibart, gab ſich von boͤſen Zeitverbin- dungen gelockt, ins Feld der Satyre; — wer aber iſt, der von Anfange bis zu Ende ſeines Lebens ihn deßwegen nicht bitter beklaget? So treffend ſeine Streiche, ſo vernuͤnftig ſeine Raſerei in Einkleidungen und Gleichniſſen ſeyn mag, wie anders ſind
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die Schwaͤrmerei, als Butlers Hudi-
bras iſt; auch hat es zur damaligen Zeit
ſeinen Zweck mehr erreicht, als wenn der
Dichter auf den koͤniglichen Maͤrty-
rer das froͤmmſte Heldengedicht geſchrieben
haͤtte; wer indeſſen wird es jetzt ohne eini-
gen Ueberdruß, wenigſtens ohne den Wunſch
leſen, daß ſein Verfaſſer die Gabe der
Muſe, die er beſaß, edler angewandt haͤt-
te? — Swift, vielleicht der ſtrengſte Ver-
ſtandesmann, den England unter ſeine
Schriftſteller zaͤhlet, der unbeſtochenſte Rich-
ter in Sachen des Geſchmacks und der
Schreibart, gab ſich von boͤſen Zeitverbin-
dungen gelockt, ins Feld der Satyre; —
wer aber iſt, der von Anfange bis zu Ende
ſeines Lebens ihn deßwegen nicht bitter
beklaget? So treffend ſeine Streiche, ſo
vernuͤnftig ſeine Raſerei in Einkleidungen
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/93>, abgerufen am 22.07.2024.
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