Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

gion mit in seine Dichtung mischte: so
stehen beide schon nicht auf Einem Grunde;
selbst dem Katholischen Glauben nach wird
er in diesen zwischen Wahrheit und Trug
gemischten Scenen eine schwächere Wir-
kung hervorbringen, als die ein reines
Mährchen hervorbrächte. Protestanten wer-
den den Milton wie einen Bramante
und Michael Angelo bewundern; schwer-
lich aber sein Gedicht mit so ungestörtem
Glauben lesen, wie sie ein reines Mähr-
chen lesen würden; das Religions-System
schadet seinem Gedichte. -- Historische
Epopeen
haben daher in der neueren Zeit
fast keine Wirkung gethan, weil ihnen als
Gedichten durchaus der Glaube fehlet. Das
Zeitalter der Elisabeth, ob sie gleich selbst
eine Dichterinn war und Schmeicheleien
sehr liebte, ward nur in Sonnetten be-
sungen, oder in Allegorieen; Cromwell

gion mit in ſeine Dichtung miſchte: ſo
ſtehen beide ſchon nicht auf Einem Grunde;
ſelbſt dem Katholiſchen Glauben nach wird
er in dieſen zwiſchen Wahrheit und Trug
gemiſchten Scenen eine ſchwaͤchere Wir-
kung hervorbringen, als die ein reines
Maͤhrchen hervorbraͤchte. Proteſtanten wer-
den den Milton wie einen Bramante
und Michael Angelo bewundern; ſchwer-
lich aber ſein Gedicht mit ſo ungeſtoͤrtem
Glauben leſen, wie ſie ein reines Maͤhr-
chen leſen wuͤrden; das Religions-Syſtem
ſchadet ſeinem Gedichte. — Hiſtoriſche
Epopeen
haben daher in der neueren Zeit
faſt keine Wirkung gethan, weil ihnen als
Gedichten durchaus der Glaube fehlet. Das
Zeitalter der Eliſabeth, ob ſie gleich ſelbſt
eine Dichterinn war und Schmeicheleien
ſehr liebte, ward nur in Sonnetten be-
ſungen, oder in Allegorieen; Cromwell

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0090" n="71"/>
gion mit in &#x017F;eine Dichtung mi&#x017F;chte: &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tehen beide &#x017F;chon nicht auf Einem Grunde;<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t dem Katholi&#x017F;chen Glauben nach wird<lb/>
er in die&#x017F;en zwi&#x017F;chen Wahrheit und Trug<lb/>
gemi&#x017F;chten Scenen eine &#x017F;chwa&#x0364;chere Wir-<lb/>
kung hervorbringen, als die ein reines<lb/>
Ma&#x0364;hrchen hervorbra&#x0364;chte. Prote&#x017F;tanten wer-<lb/>
den den <hi rendition="#g">Milton</hi> wie einen <hi rendition="#g">Bramante</hi><lb/>
und <hi rendition="#g">Michael Angelo</hi> bewundern; &#x017F;chwer-<lb/>
lich aber &#x017F;ein Gedicht mit &#x017F;o unge&#x017F;to&#x0364;rtem<lb/>
Glauben le&#x017F;en, wie &#x017F;ie ein reines Ma&#x0364;hr-<lb/>
chen le&#x017F;en wu&#x0364;rden; das Religions-Sy&#x017F;tem<lb/>
&#x017F;chadet &#x017F;einem Gedichte. &#x2014; <hi rendition="#g">Hi&#x017F;tori&#x017F;che<lb/>
Epopeen</hi> haben daher in der neueren Zeit<lb/>
fa&#x017F;t keine Wirkung gethan, weil ihnen als<lb/>
Gedichten durchaus der Glaube fehlet. Das<lb/>
Zeitalter der Eli&#x017F;abeth, ob &#x017F;ie gleich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
eine Dichterinn war und Schmeicheleien<lb/>
&#x017F;ehr liebte, ward nur in Sonnetten be-<lb/>
&#x017F;ungen, oder in Allegorieen; <hi rendition="#g">Cromwell</hi><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0090] gion mit in ſeine Dichtung miſchte: ſo ſtehen beide ſchon nicht auf Einem Grunde; ſelbſt dem Katholiſchen Glauben nach wird er in dieſen zwiſchen Wahrheit und Trug gemiſchten Scenen eine ſchwaͤchere Wir- kung hervorbringen, als die ein reines Maͤhrchen hervorbraͤchte. Proteſtanten wer- den den Milton wie einen Bramante und Michael Angelo bewundern; ſchwer- lich aber ſein Gedicht mit ſo ungeſtoͤrtem Glauben leſen, wie ſie ein reines Maͤhr- chen leſen wuͤrden; das Religions-Syſtem ſchadet ſeinem Gedichte. — Hiſtoriſche Epopeen haben daher in der neueren Zeit faſt keine Wirkung gethan, weil ihnen als Gedichten durchaus der Glaube fehlet. Das Zeitalter der Eliſabeth, ob ſie gleich ſelbſt eine Dichterinn war und Schmeicheleien ſehr liebte, ward nur in Sonnetten be- ſungen, oder in Allegorieen; Cromwell

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/90
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/90>, abgerufen am 23.11.2024.