Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

klug werden läßt; und ein stiller Bund
aller Guten
unter einander, nichts Un-
würdiges zu verbreiten, oder zu loben.
Möge Gift mischen, wer da will, und das
am feinsten gemischte Gift die lautesten
Ausrufer finden; von uns sei der Giftmi-
scher, so wie der Ausrufer verachtet. Mit
der Verwirrung des Geschmacks und dem
Despotismus fabricirender Schriftstellerei
ists so weit gekommen, daß da das
Schlechteste ohn alles Erröthen auf die un-
verschämteste Weise gelobt werden darf,
dieser unverschämte Despotismus sich selbst
seinen Fall bereitet. Er muß sich selbst
einen Widerstand erwecken, der ihn ein-
schränke und bezäume; oder wir gehen
durch unsre Licenz zu Grunde: denn da
durch die Buchdruckerei die Kritik selbst
feil geworden ist; so hat sie auch bei
den Niedrigsten ihr Ansehen verlohren.

klug werden laͤßt; und ein ſtiller Bund
aller Guten
unter einander, nichts Un-
wuͤrdiges zu verbreiten, oder zu loben.
Moͤge Gift miſchen, wer da will, und das
am feinſten gemiſchte Gift die lauteſten
Ausrufer finden; von uns ſei der Giftmi-
ſcher, ſo wie der Ausrufer verachtet. Mit
der Verwirrung des Geſchmacks und dem
Deſpotismus fabricirender Schriftſtellerei
iſts ſo weit gekommen, daß da das
Schlechteſte ohn alles Erroͤthen auf die un-
verſchaͤmteſte Weiſe gelobt werden darf,
dieſer unverſchaͤmte Deſpotismus ſich ſelbſt
ſeinen Fall bereitet. Er muß ſich ſelbſt
einen Widerſtand erwecken, der ihn ein-
ſchraͤnke und bezaͤume; oder wir gehen
durch unſre Licenz zu Grunde: denn da
durch die Buchdruckerei die Kritik ſelbſt
feil geworden iſt; ſo hat ſie auch bei
den Niedrigſten ihr Anſehen verlohren.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="60"/>
klug werden la&#x0364;ßt; und ein <hi rendition="#g">&#x017F;tiller Bund<lb/>
aller Guten</hi> unter einander, nichts Un-<lb/>
wu&#x0364;rdiges zu verbreiten, oder zu loben.<lb/>
Mo&#x0364;ge Gift mi&#x017F;chen, wer da will, und das<lb/>
am fein&#x017F;ten gemi&#x017F;chte Gift die laute&#x017F;ten<lb/>
Ausrufer finden; von uns &#x017F;ei der Giftmi-<lb/>
&#x017F;cher, &#x017F;o wie der Ausrufer verachtet. Mit<lb/>
der Verwirrung des Ge&#x017F;chmacks und dem<lb/>
De&#x017F;potismus fabricirender Schrift&#x017F;tellerei<lb/>
i&#x017F;ts &#x017F;o weit gekommen, daß da das<lb/>
Schlechte&#x017F;te ohn alles Erro&#x0364;then auf die un-<lb/>
ver&#x017F;cha&#x0364;mte&#x017F;te Wei&#x017F;e gelobt werden darf,<lb/>
die&#x017F;er unver&#x017F;cha&#x0364;mte De&#x017F;potismus &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;einen Fall bereitet. Er muß &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
einen Wider&#x017F;tand erwecken, der ihn ein-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nke und beza&#x0364;ume; oder wir gehen<lb/>
durch un&#x017F;re Licenz zu Grunde: denn da<lb/>
durch die Buchdruckerei die Kritik &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
feil geworden i&#x017F;t; &#x017F;o hat &#x017F;ie auch bei<lb/>
den Niedrig&#x017F;ten ihr An&#x017F;ehen verlohren.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0079] klug werden laͤßt; und ein ſtiller Bund aller Guten unter einander, nichts Un- wuͤrdiges zu verbreiten, oder zu loben. Moͤge Gift miſchen, wer da will, und das am feinſten gemiſchte Gift die lauteſten Ausrufer finden; von uns ſei der Giftmi- ſcher, ſo wie der Ausrufer verachtet. Mit der Verwirrung des Geſchmacks und dem Deſpotismus fabricirender Schriftſtellerei iſts ſo weit gekommen, daß da das Schlechteſte ohn alles Erroͤthen auf die un- verſchaͤmteſte Weiſe gelobt werden darf, dieſer unverſchaͤmte Deſpotismus ſich ſelbſt ſeinen Fall bereitet. Er muß ſich ſelbſt einen Widerſtand erwecken, der ihn ein- ſchraͤnke und bezaͤume; oder wir gehen durch unſre Licenz zu Grunde: denn da durch die Buchdruckerei die Kritik ſelbſt feil geworden iſt; ſo hat ſie auch bei den Niedrigſten ihr Anſehen verlohren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/79
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/79>, abgerufen am 23.11.2024.