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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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[fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt], ein Anständiges und Vortref-
liches, das mit Liebe gesucht werden will
und nur durch unabläßige Uebung erlangt
wird. Ihre besten Schriftsteller jeglicher
Art zeigen darauf als auf das Zünglein
der Waage menschlicher Handlungen und
den edelsten Kampfpreis des menschlichen
Lebens. Licht und Schatten stellen sie dar;
sie contrastiren und gruppiren Gestalten,
Sinnesarten und Meinungen ohne jene
neuere überspannende Heuchelei, die im
Grunde jede Anwendung verwirret und
zuletzt die ganze Sittlichkeit aufhebt. Ha-
ben wir das Gefühl des Anständigen,
des Großen, Schönen, Anmuthigen und
Edlen verlohren, was hält uns zurück,
daß wir nicht ärger als Thiere wer-
den? Verächtlicher sind wir gewiß. Dies
Gefühl moralischer Schicklichkeit, Würde
und Grazie durch Lesung der Alten in

[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt], ein Anſtaͤndiges und Vortref-
liches, das mit Liebe geſucht werden will
und nur durch unablaͤßige Uebung erlangt
wird. Ihre beſten Schriftſteller jeglicher
Art zeigen darauf als auf das Zuͤnglein
der Waage menſchlicher Handlungen und
den edelſten Kampfpreis des menſchlichen
Lebens. Licht und Schatten ſtellen ſie dar;
ſie contraſtiren und gruppiren Geſtalten,
Sinnesarten und Meinungen ohne jene
neuere uͤberſpannende Heuchelei, die im
Grunde jede Anwendung verwirret und
zuletzt die ganze Sittlichkeit aufhebt. Ha-
ben wir das Gefuͤhl des Anſtaͤndigen,
des Großen, Schoͤnen, Anmuthigen und
Edlen verlohren, was haͤlt uns zuruͤck,
daß wir nicht aͤrger als Thiere wer-
den? Veraͤchtlicher ſind wir gewiß. Dies
Gefuͤhl moraliſcher Schicklichkeit, Wuͤrde
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[38/0057] _ , ein Anſtaͤndiges und Vortref- liches, das mit Liebe geſucht werden will und nur durch unablaͤßige Uebung erlangt wird. Ihre beſten Schriftſteller jeglicher Art zeigen darauf als auf das Zuͤnglein der Waage menſchlicher Handlungen und den edelſten Kampfpreis des menſchlichen Lebens. Licht und Schatten ſtellen ſie dar; ſie contraſtiren und gruppiren Geſtalten, Sinnesarten und Meinungen ohne jene neuere uͤberſpannende Heuchelei, die im Grunde jede Anwendung verwirret und zuletzt die ganze Sittlichkeit aufhebt. Ha- ben wir das Gefuͤhl des Anſtaͤndigen, des Großen, Schoͤnen, Anmuthigen und Edlen verlohren, was haͤlt uns zuruͤck, daß wir nicht aͤrger als Thiere wer- den? Veraͤchtlicher ſind wir gewiß. Dies Gefuͤhl moraliſcher Schicklichkeit, Wuͤrde und Grazie durch Leſung der Alten in

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/57>, abgerufen am 27.11.2024.