Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.Alles also was den Geschmack der Alten Alles alſo was den Geſchmack der Alten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0030" n="11"/> <p>Alles alſo was den Geſchmack der Alten<lb/> unter uns befoͤrdert, ſei uns werth, Aus-<lb/> gaben, Ueberſetzungen, Commentare, Nach-<lb/> ahmungen; unter dieſen Nachahmungen<lb/> auch die <hi rendition="#g">neuere lateiniſche Poeſie</hi><lb/> zu nennen, ſcheue ich mich nicht. Sie war<lb/> immer ein Zeichen, daß man die Alten<lb/> kannte und liebte, daß man uͤber neuere<lb/> Gegenſtaͤnde im Sinne der Alten dachte,<lb/> daß man ihr Richtmaas an dieſe neuen<lb/> Gegenſtaͤnde zu legen wagte. Sie hat viel<lb/> Gutes gewirket. Latein ſagte man, was<lb/> man in der Landesſprache nicht ſagen konnte<lb/> oder dorfte; nachahmend ſprach man gleich-<lb/> ſam den Alten nach, und <hi rendition="#g">ſagte ihnen<lb/> ſeine Lection auf</hi>; man freuete ſich,<lb/> daß man ſie aus ihnen gelernt und unge-<lb/> faͤhrdet aufſagen konnte. Ueber die Vor-<lb/> urtheile ſeiner Zeit, ſeines Ordens, Volks<lb/> und Standes hob mancher ſich, ohne daß<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [11/0030]
Alles alſo was den Geſchmack der Alten
unter uns befoͤrdert, ſei uns werth, Aus-
gaben, Ueberſetzungen, Commentare, Nach-
ahmungen; unter dieſen Nachahmungen
auch die neuere lateiniſche Poeſie
zu nennen, ſcheue ich mich nicht. Sie war
immer ein Zeichen, daß man die Alten
kannte und liebte, daß man uͤber neuere
Gegenſtaͤnde im Sinne der Alten dachte,
daß man ihr Richtmaas an dieſe neuen
Gegenſtaͤnde zu legen wagte. Sie hat viel
Gutes gewirket. Latein ſagte man, was
man in der Landesſprache nicht ſagen konnte
oder dorfte; nachahmend ſprach man gleich-
ſam den Alten nach, und ſagte ihnen
ſeine Lection auf; man freuete ſich,
daß man ſie aus ihnen gelernt und unge-
faͤhrdet aufſagen konnte. Ueber die Vor-
urtheile ſeiner Zeit, ſeines Ordens, Volks
und Standes hob mancher ſich, ohne daß
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