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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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Keiner Nation dörfen wirs also ver-
argen, wenn sie vor allen andern ihre
Dichter liebt und sie gegen fremde nicht
hingeben möchte; sie sind ja ihre Dichter.
In ihrer Sprache haben sie gedacht,
im Kreise ihrer Gegenstände imaginirt;
sie fühlten die Bedürfnisse der Nation, in
welcher sie erzogen wurden, und kamen
diesen zu Hülfe. Warum sollte die Nation
also nicht auch mit ihnen fühlen, da
Ein Band der Sprache, Gedanken, Be-
dürfnisse und Empfindungen sie vest an
einander knüpfet.

Italiäner, Franzosen und Engländer
schätzen ihre Dichter, oft mit ungerechter
Verachtung andrer Völker partheiisch hoch;
der einzige Deutsche hat sich verführen
lassen, das Verdienst fremder Völker, in-
sonderheit der Engländer und Franzosen,
unmäßig zu übertreiben und darüber sich

Keiner Nation doͤrfen wirs alſo ver-
argen, wenn ſie vor allen andern ihre
Dichter liebt und ſie gegen fremde nicht
hingeben moͤchte; ſie ſind ja ihre Dichter.
In ihrer Sprache haben ſie gedacht,
im Kreiſe ihrer Gegenſtaͤnde imaginirt;
ſie fuͤhlten die Beduͤrfniſſe der Nation, in
welcher ſie erzogen wurden, und kamen
dieſen zu Huͤlfe. Warum ſollte die Nation
alſo nicht auch mit ihnen fuͤhlen, da
Ein Band der Sprache, Gedanken, Be-
duͤrfniſſe und Empfindungen ſie veſt an
einander knuͤpfet.

Italiaͤner, Franzoſen und Englaͤnder
ſchaͤtzen ihre Dichter, oft mit ungerechter
Verachtung andrer Voͤlker partheiiſch hoch;
der einzige Deutſche hat ſich verfuͤhren
laſſen, das Verdienſt fremder Voͤlker, in-
ſonderheit der Englaͤnder und Franzoſen,
unmaͤßig zu uͤbertreiben und daruͤber ſich

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[175/0194] Keiner Nation doͤrfen wirs alſo ver- argen, wenn ſie vor allen andern ihre Dichter liebt und ſie gegen fremde nicht hingeben moͤchte; ſie ſind ja ihre Dichter. In ihrer Sprache haben ſie gedacht, im Kreiſe ihrer Gegenſtaͤnde imaginirt; ſie fuͤhlten die Beduͤrfniſſe der Nation, in welcher ſie erzogen wurden, und kamen dieſen zu Huͤlfe. Warum ſollte die Nation alſo nicht auch mit ihnen fuͤhlen, da Ein Band der Sprache, Gedanken, Be- duͤrfniſſe und Empfindungen ſie veſt an einander knuͤpfet. Italiaͤner, Franzoſen und Englaͤnder ſchaͤtzen ihre Dichter, oft mit ungerechter Verachtung andrer Voͤlker partheiiſch hoch; der einzige Deutſche hat ſich verfuͤhren laſſen, das Verdienſt fremder Voͤlker, in- ſonderheit der Englaͤnder und Franzoſen, unmaͤßig zu uͤbertreiben und daruͤber ſich

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/194>, abgerufen am 27.11.2024.