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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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breiten? Führet einen gesunden jungen
Mann, ein gesundes keusches Mädchen,
in die Kammer des abgelebten Lüstlings
oder der feilen Unzucht; werden sie, denen
ein besserer Trieb im Herzen schlägt, oder
sich in leisen Wünschen reget, an den fre-
chen Reizungsmitteln dieser Ausgearteten
und Abgestorbenen Vergnügen finden? oder
sie mit Entzücken ansehn? Schonet der
Unschuld unsrer Nation, wenn ihr sie auch
eine dumme Unschuld nennen solltet; beim
belohnenden Gefühl ihrer Gesundheit will
sie gern mancher lüsternen Form entbehren.
Jedes Volk hat seinen Kreis des Wohl-
anständigen in sittlichen Begriffen und
Gefühlen, aus welchem es keine erjagte
Licenz eines fremden Volks reißen muß.

Daß übrigens die feine Komödie bei
uns manche Schwierigkeiten findet, ist un-
längbar, aber auch sehr erklärlich. Erziehet

die

breiten? Fuͤhret einen geſunden jungen
Mann, ein geſundes keuſches Maͤdchen,
in die Kammer des abgelebten Luͤſtlings
oder der feilen Unzucht; werden ſie, denen
ein beſſerer Trieb im Herzen ſchlaͤgt, oder
ſich in leiſen Wuͤnſchen reget, an den fre-
chen Reizungsmitteln dieſer Ausgearteten
und Abgeſtorbenen Vergnuͤgen finden? oder
ſie mit Entzuͤcken anſehn? Schonet der
Unſchuld unſrer Nation, wenn ihr ſie auch
eine dumme Unſchuld nennen ſolltet; beim
belohnenden Gefuͤhl ihrer Geſundheit will
ſie gern mancher luͤſternen Form entbehren.
Jedes Volk hat ſeinen Kreis des Wohl-
anſtaͤndigen in ſittlichen Begriffen und
Gefuͤhlen, aus welchem es keine erjagte
Licenz eines fremden Volks reißen muß.

Daß uͤbrigens die feine Komoͤdie bei
uns manche Schwierigkeiten findet, iſt un-
laͤngbar, aber auch ſehr erklaͤrlich. Erziehet

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[144/0163] breiten? Fuͤhret einen geſunden jungen Mann, ein geſundes keuſches Maͤdchen, in die Kammer des abgelebten Luͤſtlings oder der feilen Unzucht; werden ſie, denen ein beſſerer Trieb im Herzen ſchlaͤgt, oder ſich in leiſen Wuͤnſchen reget, an den fre- chen Reizungsmitteln dieſer Ausgearteten und Abgeſtorbenen Vergnuͤgen finden? oder ſie mit Entzuͤcken anſehn? Schonet der Unſchuld unſrer Nation, wenn ihr ſie auch eine dumme Unſchuld nennen ſolltet; beim belohnenden Gefuͤhl ihrer Geſundheit will ſie gern mancher luͤſternen Form entbehren. Jedes Volk hat ſeinen Kreis des Wohl- anſtaͤndigen in ſittlichen Begriffen und Gefuͤhlen, aus welchem es keine erjagte Licenz eines fremden Volks reißen muß. Daß uͤbrigens die feine Komoͤdie bei uns manche Schwierigkeiten findet, iſt un- laͤngbar, aber auch ſehr erklaͤrlich. Erziehet die

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/163>, abgerufen am 23.11.2024.