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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796.

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4. Allen Handlungen und Leidenschaf-
ten der Menschen, ihren Tugenden und
Lastern wird hiemit eine eigne religiose
Farbe
, ein Anzug gegeben werden, den
die alte Welt nicht kannte. In die Liebe
wird sich Andacht mischen; und die Uep-
pigkeit dagegen vielleicht desto sinnlicher
ihr Werk treiben. Statt des Verdienstes
der Vorfahren um ein enges Vaterland
wird ein andächtiger Ruhm, eine
Ehre hervorgehn, die Stand ist und
nach Ständen wirket. Auf diesem Wege
wird eine Sentimentalität zum Vor-
schein kommen, von der die Poesie der Al-
ten nicht wußte, eine anerzogne Senti-
mentalität der Stände.

5. Endlich, da der Rhythmus der Grie-
chen verlohren ist und sich der poetische
Genius hier ungebildeten, mit dem Rö-
mischen Volksdialekt vermischten Sprachen

4. Allen Handlungen und Leidenſchaf-
ten der Menſchen, ihren Tugenden und
Laſtern wird hiemit eine eigne religioſe
Farbe
, ein Anzug gegeben werden, den
die alte Welt nicht kannte. In die Liebe
wird ſich Andacht miſchen; und die Uep-
pigkeit dagegen vielleicht deſto ſinnlicher
ihr Werk treiben. Statt des Verdienſtes
der Vorfahren um ein enges Vaterland
wird ein andaͤchtiger Ruhm, eine
Ehre hervorgehn, die Stand iſt und
nach Staͤnden wirket. Auf dieſem Wege
wird eine Sentimentalitaͤt zum Vor-
ſchein kommen, von der die Poeſie der Al-
ten nicht wußte, eine anerzogne Senti-
mentalitaͤt der Staͤnde.

5. Endlich, da der Rhythmus der Grie-
chen verlohren iſt und ſich der poëtiſche
Genius hier ungebildeten, mit dem Roͤ-
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[60/0077] 4. Allen Handlungen und Leidenſchaf- ten der Menſchen, ihren Tugenden und Laſtern wird hiemit eine eigne religioſe Farbe, ein Anzug gegeben werden, den die alte Welt nicht kannte. In die Liebe wird ſich Andacht miſchen; und die Uep- pigkeit dagegen vielleicht deſto ſinnlicher ihr Werk treiben. Statt des Verdienſtes der Vorfahren um ein enges Vaterland wird ein andaͤchtiger Ruhm, eine Ehre hervorgehn, die Stand iſt und nach Staͤnden wirket. Auf dieſem Wege wird eine Sentimentalitaͤt zum Vor- ſchein kommen, von der die Poeſie der Al- ten nicht wußte, eine anerzogne Senti- mentalitaͤt der Staͤnde. 5. Endlich, da der Rhythmus der Grie- chen verlohren iſt und ſich der poëtiſche Genius hier ungebildeten, mit dem Roͤ- miſchen Volksdialekt vermiſchten Sprachen

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/77>, abgerufen am 22.11.2024.