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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796.

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liche Völker selbst haben zuweilen auf die
sonderbarste Weise einen Mysticismus
gesucht und sich in ihm berauschet; ver-
nünftelnde Völker suchten ihn auf ihre
Weise. Der Grund dazu liegt in der Natur
des Menschen. Er will Ruhe und Thätig-
keit, Genuß und Beschauung auf die kosten-
freieste, dauerhafteste, zugleich auch auf die
untrüglichste, auf eine gleichsam unend-
liche Weise. So gern möchte er mit
Ideen leben und selbst Idee seyn.
Die träge Zeit, den leeren Raum, die
lahme Bewegung um sich her möchte er
gern überspringen, und vernichten, dagegen
Alles an sich ziehn, sich Allem zueignen und
zuletzt in einem Ideal zerfließen, das je-
den Genuß in sich faßt, wohin seine Vor-
stellung reichet. Viele Umstände der dama-
ligen und folgenden Zeit kamen zusammen,
diesen Mysticismus zu nähren und ihn dem

liche Voͤlker ſelbſt haben zuweilen auf die
ſonderbarſte Weiſe einen Myſticismus
geſucht und ſich in ihm berauſchet; ver-
nuͤnftelnde Voͤlker ſuchten ihn auf ihre
Weiſe. Der Grund dazu liegt in der Natur
des Menſchen. Er will Ruhe und Thaͤtig-
keit, Genuß und Beſchauung auf die koſten-
freieſte, dauerhafteſte, zugleich auch auf die
untruͤglichſte, auf eine gleichſam unend-
liche Weiſe. So gern moͤchte er mit
Ideen leben und ſelbſt Idee ſeyn.
Die traͤge Zeit, den leeren Raum, die
lahme Bewegung um ſich her moͤchte er
gern uͤberſpringen, und vernichten, dagegen
Alles an ſich ziehn, ſich Allem zueignen und
zuletzt in einem Ideal zerfließen, das je-
den Genuß in ſich faßt, wohin ſeine Vor-
ſtellung reichet. Viele Umſtaͤnde der dama-
ligen und folgenden Zeit kamen zuſammen,
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[39/0056] liche Voͤlker ſelbſt haben zuweilen auf die ſonderbarſte Weiſe einen Myſticismus geſucht und ſich in ihm berauſchet; ver- nuͤnftelnde Voͤlker ſuchten ihn auf ihre Weiſe. Der Grund dazu liegt in der Natur des Menſchen. Er will Ruhe und Thaͤtig- keit, Genuß und Beſchauung auf die koſten- freieſte, dauerhafteſte, zugleich auch auf die untruͤglichſte, auf eine gleichſam unend- liche Weiſe. So gern moͤchte er mit Ideen leben und ſelbſt Idee ſeyn. Die traͤge Zeit, den leeren Raum, die lahme Bewegung um ſich her moͤchte er gern uͤberſpringen, und vernichten, dagegen Alles an ſich ziehn, ſich Allem zueignen und zuletzt in einem Ideal zerfließen, das je- den Genuß in ſich faßt, wohin ſeine Vor- ſtellung reichet. Viele Umſtaͤnde der dama- ligen und folgenden Zeit kamen zuſammen, dieſen Myſticismus zu naͤhren und ihn dem

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/56>, abgerufen am 25.11.2024.