mals lebender Personen, als auf eine un- partheiische Schätzung alter und neuer Ver- dienste angesehen war, so konnte wenig ausgemacht werden, obgleich von beiden Theilen viel Gutes gesagt ward.
In der Cultur zum Schönen, die wir der Kürze halben Poesie nennen wol- len, springt uns der Unterschied alter und neuer Zeiten d. i. der Griechen und Rö- mer in Vergleich aller neueren Europäischen Völker ins Auge. Wir mögen Italiänische, Spanische, Französische, Englische, Deutsche Dichter, aus welchen Zeiten wir wollen, lesen; der Unterschied ist unver- kennbar.
Und doch wird es schwer, ihn sich im reinsten Umriß aufzuklären; noch schwerer, ihn bis auf seine ersten Ursachen zurückzu- führen, und dabei jeder Nation und Zeit ihr Recht wiederfahren zu lassen. Wie?
mals lebender Perſonen, als auf eine un- partheiiſche Schaͤtzung alter und neuer Ver- dienſte angeſehen war, ſo konnte wenig ausgemacht werden, obgleich von beiden Theilen viel Gutes geſagt ward.
In der Cultur zum Schoͤnen, die wir der Kuͤrze halben Poeſie nennen wol- len, ſpringt uns der Unterſchied alter und neuer Zeiten d. i. der Griechen und Roͤ- mer in Vergleich aller neueren Europaͤiſchen Voͤlker ins Auge. Wir moͤgen Italiaͤniſche, Spaniſche, Franzoͤſiſche, Engliſche, Deutſche Dichter, aus welchen Zeiten wir wollen, leſen; der Unterſchied iſt unver- kennbar.
Und doch wird es ſchwer, ihn ſich im reinſten Umriß aufzuklaͤren; noch ſchwerer, ihn bis auf ſeine erſten Urſachen zuruͤckzu- fuͤhren, und dabei jeder Nation und Zeit ihr Recht wiederfahren zu laſſen. Wie?
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mals lebender Perſonen, als auf eine un-
partheiiſche Schaͤtzung alter und neuer Ver-
dienſte angeſehen war, ſo konnte wenig
ausgemacht werden, obgleich von beiden
Theilen viel Gutes geſagt ward.
In der Cultur zum Schoͤnen, die
wir der Kuͤrze halben Poeſie nennen wol-
len, ſpringt uns der Unterſchied alter und
neuer Zeiten d. i. der Griechen und Roͤ-
mer in Vergleich aller neueren Europaͤiſchen
Voͤlker ins Auge. Wir moͤgen Italiaͤniſche,
Spaniſche, Franzoͤſiſche, Engliſche, Deutſche
Dichter, aus welchen Zeiten wir wollen,
leſen; der Unterſchied iſt unver-
kennbar.
Und doch wird es ſchwer, ihn ſich im
reinſten Umriß aufzuklaͤren; noch ſchwerer,
ihn bis auf ſeine erſten Urſachen zuruͤckzu-
fuͤhren, und dabei jeder Nation und Zeit
ihr Recht wiederfahren zu laſſen. Wie?
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/19>, abgerufen am 16.02.2025.
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