kunst auch nach Deutschland. Die Min- nesinger sind unsre Provenzalen.
Zu Dante's Zeiten waren schon sie- ben Gattungen dieser Verskunst in der Ita- liänischen Sprache, Sonnet, Ballade, Can- zone, Rodondilla, Madrigal, Servente, Stanze; sie haben sich seitdem zahlreich vermehrt, vielfach verändert; immer aber ist die Italiänische Sprache jenem Richt- maas treu geblieben, das zu Dante, Boccaz und Petrarka Zeiten die Pro- venzalpoesie ihr anwies. Die Sylbenmaaße der Griechen und Römer, so oft sie ver- sucht worden, haben in Italien, Spanien und Frankreich ihr Glück nie machen mö- gen.
Nun müßte es wohl ein sehr barbari- sches Ohr seyn, das nicht, zumal unter jenem Himmel, die Musik dieser Versarten fühlte. Der weitverhallende Wohlklang
kunſt auch nach Deutſchland. Die Min- neſinger ſind unſre Provenzalen.
Zu Dante's Zeiten waren ſchon ſie- ben Gattungen dieſer Verskunſt in der Ita- liaͤniſchen Sprache, Sonnet, Ballade, Can- zone, Rodondilla, Madrigal, Servente, Stanze; ſie haben ſich ſeitdem zahlreich vermehrt, vielfach veraͤndert; immer aber iſt die Italiaͤniſche Sprache jenem Richt- maas treu geblieben, das zu Dante, Boccaz und Petrarka Zeiten die Pro- venzalpoeſie ihr anwies. Die Sylbenmaaße der Griechen und Roͤmer, ſo oft ſie ver- ſucht worden, haben in Italien, Spanien und Frankreich ihr Gluͤck nie machen moͤ- gen.
Nun muͤßte es wohl ein ſehr barbari- ſches Ohr ſeyn, das nicht, zumal unter jenem Himmel, die Muſik dieſer Versarten fuͤhlte. Der weitverhallende Wohlklang
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kunſt auch nach Deutſchland. Die Min-
neſinger ſind unſre Provenzalen.
Zu Dante's Zeiten waren ſchon ſie-
ben Gattungen dieſer Verskunſt in der Ita-
liaͤniſchen Sprache, Sonnet, Ballade, Can-
zone, Rodondilla, Madrigal, Servente,
Stanze; ſie haben ſich ſeitdem zahlreich
vermehrt, vielfach veraͤndert; immer aber
iſt die Italiaͤniſche Sprache jenem Richt-
maas treu geblieben, das zu Dante,
Boccaz und Petrarka Zeiten die Pro-
venzalpoeſie ihr anwies. Die Sylbenmaaße
der Griechen und Roͤmer, ſo oft ſie ver-
ſucht worden, haben in Italien, Spanien
und Frankreich ihr Gluͤck nie machen moͤ-
gen.
Nun muͤßte es wohl ein ſehr barbari-
ſches Ohr ſeyn, das nicht, zumal unter
jenem Himmel, die Muſik dieſer Versarten
fuͤhlte. Der weitverhallende Wohlklang
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/127>, abgerufen am 28.07.2024.
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