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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796.

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benmaaße der Alten fanden in ihr nicht
Platz, weil sie eigentlich blos von der
Conversation ausging, und auf diese
hinführte.

2. Die Poesie der Alten hatte in ihrem
Ursprunge viel mehr Wichtigkeit, Zweck und
Anlage in sich, als diese neuere haben konnte.
Vor Erfindung der Schreibekunst vertrat
Jene die Stelle aller Wissenschaft; sie war
die Sprache der Götter, der Gesetzgeber
und Weisen; was der Nachwelt würdig
geachtet war, ward in sie gelegt, daher
auch von ihr fast jede Wissenschaft ausging.
In Europa war alles anders. Die Spra-
che des Heiligthums war und blieb die
lateinische, in welcher sich denn auch
lange Zeit hin die Wissenschaften fortge-
bildet haben; die Vulgarpoesie wollte we-
der gelehrt noch andächtig, sondern un-
terhaltend seyn. In allen Sprachen,

benmaaße der Alten fanden in ihr nicht
Platz, weil ſie eigentlich blos von der
Converſation ausging, und auf dieſe
hinfuͤhrte.

2. Die Poeſie der Alten hatte in ihrem
Urſprunge viel mehr Wichtigkeit, Zweck und
Anlage in ſich, als dieſe neuere haben konnte.
Vor Erfindung der Schreibekunſt vertrat
Jene die Stelle aller Wiſſenſchaft; ſie war
die Sprache der Goͤtter, der Geſetzgeber
und Weiſen; was der Nachwelt wuͤrdig
geachtet war, ward in ſie gelegt, daher
auch von ihr faſt jede Wiſſenſchaft ausging.
In Europa war alles anders. Die Spra-
che des Heiligthums war und blieb die
lateiniſche, in welcher ſich denn auch
lange Zeit hin die Wiſſenſchaften fortge-
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[105/0122] benmaaße der Alten fanden in ihr nicht Platz, weil ſie eigentlich blos von der Converſation ausging, und auf dieſe hinfuͤhrte. 2. Die Poeſie der Alten hatte in ihrem Urſprunge viel mehr Wichtigkeit, Zweck und Anlage in ſich, als dieſe neuere haben konnte. Vor Erfindung der Schreibekunſt vertrat Jene die Stelle aller Wiſſenſchaft; ſie war die Sprache der Goͤtter, der Geſetzgeber und Weiſen; was der Nachwelt wuͤrdig geachtet war, ward in ſie gelegt, daher auch von ihr faſt jede Wiſſenſchaft ausging. In Europa war alles anders. Die Spra- che des Heiligthums war und blieb die lateiniſche, in welcher ſich denn auch lange Zeit hin die Wiſſenſchaften fortge- bildet haben; die Vulgarpoeſie wollte we- der gelehrt noch andaͤchtig, ſondern un- terhaltend ſeyn. In allen Sprachen,

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/122>, abgerufen am 25.11.2024.