Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Welch andres Volk in Europa verband in
seinen Vorstellungen Tapferkeit, Liebe
und Andacht, wie die Araber? Von den
ältesten Zeiten an war es bei ihnen die
gewöhnliche Regel eines Gedichts, von
Gott und vom Propheten anzufangen,
sodann der Liebe ihren Zoll zu entrichten,
und darauf gegen Freund oder Feind seine
Tapferkeit zu bezeugen. Wie übel auch
oft diese Stücke zusammenhingen; es war
das angenommene poetische Gesetz,
dem sich, wiefern es Religion und Sitte
erlaubte, nun auch die Christen bequemten.
Die festgesetzten Gattungen der Poesie der
Araber, Preis und Tadel, Frohlocken und
Klage, Liebe und Haß, Lehre und Beschrei-
bung wurden auch hier der Inhalt ver-
schiedener Gesangesarten; selbst die Pros-
odie der Provenzalen ward nach der blos
accentuirten und declamirten arabischen

Welch andres Volk in Europa verband in
ſeinen Vorſtellungen Tapferkeit, Liebe
und Andacht, wie die Araber? Von den
aͤlteſten Zeiten an war es bei ihnen die
gewoͤhnliche Regel eines Gedichts, von
Gott und vom Propheten anzufangen,
ſodann der Liebe ihren Zoll zu entrichten,
und darauf gegen Freund oder Feind ſeine
Tapferkeit zu bezeugen. Wie uͤbel auch
oft dieſe Stuͤcke zuſammenhingen; es war
das angenommene poetiſche Geſetz,
dem ſich, wiefern es Religion und Sitte
erlaubte, nun auch die Chriſten bequemten.
Die feſtgeſetzten Gattungen der Poeſie der
Araber, Preis und Tadel, Frohlocken und
Klage, Liebe und Haß, Lehre und Beſchrei-
bung wurden auch hier der Inhalt ver-
ſchiedener Geſangesarten; ſelbſt die Pros-
odie der Provenzalen ward nach der blos
accentuirten und declamirten arabiſchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0106" n="89"/>
Welch andres Volk in Europa verband in<lb/>
&#x017F;einen Vor&#x017F;tellungen <hi rendition="#g">Tapferkeit</hi>, <hi rendition="#g">Liebe</hi><lb/>
und <hi rendition="#g">Andacht</hi>, wie die Araber? Von den<lb/>
a&#x0364;lte&#x017F;ten Zeiten an war es bei ihnen die<lb/>
gewo&#x0364;hnliche Regel eines Gedichts, von<lb/><hi rendition="#g">Gott</hi> und vom <hi rendition="#g">Propheten</hi> anzufangen,<lb/>
&#x017F;odann der <hi rendition="#g">Liebe</hi> ihren Zoll zu entrichten,<lb/>
und darauf gegen Freund oder Feind &#x017F;eine<lb/><hi rendition="#g">Tapferkeit</hi> zu bezeugen. Wie u&#x0364;bel auch<lb/>
oft die&#x017F;e Stu&#x0364;cke zu&#x017F;ammenhingen; es war<lb/>
das angenommene <hi rendition="#g">poeti&#x017F;che Ge&#x017F;etz</hi>,<lb/>
dem &#x017F;ich, wiefern es Religion und Sitte<lb/>
erlaubte, nun auch die Chri&#x017F;ten bequemten.<lb/>
Die fe&#x017F;tge&#x017F;etzten Gattungen der Poe&#x017F;ie der<lb/>
Araber, Preis und Tadel, Frohlocken und<lb/>
Klage, Liebe und Haß, Lehre und Be&#x017F;chrei-<lb/>
bung wurden auch hier der Inhalt ver-<lb/>
&#x017F;chiedener Ge&#x017F;angesarten; &#x017F;elb&#x017F;t die Pros-<lb/>
odie der Provenzalen ward nach der blos<lb/>
accentuirten und declamirten arabi&#x017F;chen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0106] Welch andres Volk in Europa verband in ſeinen Vorſtellungen Tapferkeit, Liebe und Andacht, wie die Araber? Von den aͤlteſten Zeiten an war es bei ihnen die gewoͤhnliche Regel eines Gedichts, von Gott und vom Propheten anzufangen, ſodann der Liebe ihren Zoll zu entrichten, und darauf gegen Freund oder Feind ſeine Tapferkeit zu bezeugen. Wie uͤbel auch oft dieſe Stuͤcke zuſammenhingen; es war das angenommene poetiſche Geſetz, dem ſich, wiefern es Religion und Sitte erlaubte, nun auch die Chriſten bequemten. Die feſtgeſetzten Gattungen der Poeſie der Araber, Preis und Tadel, Frohlocken und Klage, Liebe und Haß, Lehre und Beſchrei- bung wurden auch hier der Inhalt ver- ſchiedener Geſangesarten; ſelbſt die Pros- odie der Provenzalen ward nach der blos accentuirten und declamirten arabiſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/106
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/106>, abgerufen am 27.11.2024.