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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795.

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bau ruhig betrachtete und abwog. Wel-
che Freuden schöpfte ich in Erwägung der
Symmetrie und Eurythmie, noch
mehr aber der schönen Gegenstellung,
die in Ruhe und Bewegung, nach verschie-
dener Art der Charaktere, diesen göttlichen
Körpern mitgetheilt ist, also daß sich die
Seele liebreich-strenge bis im Wurf des
Gewandes und in seinen Falten, wie ein
wehender Geist offenbaret. Ihr habt un-
sre Natur gekannt und geadelt, ihr Grie-
chen; ihr wußtet, was das menschliche Le-
ben in seinen vorübergehenden Scenen sei,
das ihr auf so manchen Sarkophagen eben
so richtig und wahr, als einfältig und
rührend vorgestellet habt. Da erfaßtet
ihr die Blüthe jeder flüchtigen Scene und
heiligtet sie in einem nie verwelkenden
Kranz der Mutter des Menschengeschlech-
tes. Wenn unsre Art je so entartet wer-

bau ruhig betrachtete und abwog. Wel-
che Freuden ſchoͤpfte ich in Erwaͤgung der
Symmetrie und Eurythmie, noch
mehr aber der ſchoͤnen Gegenſtellung,
die in Ruhe und Bewegung, nach verſchie-
dener Art der Charaktere, dieſen goͤttlichen
Koͤrpern mitgetheilt iſt, alſo daß ſich die
Seele liebreich-ſtrenge bis im Wurf des
Gewandes und in ſeinen Falten, wie ein
wehender Geiſt offenbaret. Ihr habt un-
ſre Natur gekannt und geadelt, ihr Grie-
chen; ihr wußtet, was das menſchliche Le-
ben in ſeinen voruͤbergehenden Scenen ſei,
das ihr auf ſo manchen Sarkophagen eben
ſo richtig und wahr, als einfaͤltig und
ruͤhrend vorgeſtellet habt. Da erfaßtet
ihr die Bluͤthe jeder fluͤchtigen Scene und
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[31/0046] bau ruhig betrachtete und abwog. Wel- che Freuden ſchoͤpfte ich in Erwaͤgung der Symmetrie und Eurythmie, noch mehr aber der ſchoͤnen Gegenſtellung, die in Ruhe und Bewegung, nach verſchie- dener Art der Charaktere, dieſen goͤttlichen Koͤrpern mitgetheilt iſt, alſo daß ſich die Seele liebreich-ſtrenge bis im Wurf des Gewandes und in ſeinen Falten, wie ein wehender Geiſt offenbaret. Ihr habt un- ſre Natur gekannt und geadelt, ihr Grie- chen; ihr wußtet, was das menſchliche Le- ben in ſeinen voruͤbergehenden Scenen ſei, das ihr auf ſo manchen Sarkophagen eben ſo richtig und wahr, als einfaͤltig und ruͤhrend vorgeſtellet habt. Da erfaßtet ihr die Bluͤthe jeder fluͤchtigen Scene und heiligtet ſie in einem nie verwelkenden Kranz der Mutter des Menſchengeſchlech- tes. Wenn unſre Art je ſo entartet wer-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/46>, abgerufen am 21.11.2024.