Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschen. Menschen-Völker-Natur-
geschichte, Naturlehre, Mathematik und
Erfahrung, waren die Quellen, aus de-
nen er seinen Vortrag und Umgang be-
lebte; nichts Wissenswürdiges war ihm
gleichgültig; keine Kabale, keine Sekte,
kein Vortheil, kein Namen-Ehrgeiz hatte
je für ihn den mindesten Reiz gegen die
Erweiterung und Aufhellung der Wahr-
heit. Er munterte auf, und zwang ange-
nehm zum Selbstdenken; Despotismus
war seinem Gemüth fremde. Dieser
Mann, den ich mit größester Dankbar-
keit und Hochachtung nenne, ist Imma-
nuel Kant; sein Bild steht angenehm
vor mir. Ich will ihm nicht die barbari-
sche Inschrift setzen, die einst ein sehr un-
würdiger Philosoph empfing:


Menſchen. Menſchen-Voͤlker-Natur-
geſchichte, Naturlehre, Mathematik und
Erfahrung, waren die Quellen, aus de-
nen er ſeinen Vortrag und Umgang be-
lebte; nichts Wiſſenswuͤrdiges war ihm
gleichguͤltig; keine Kabale, keine Sekte,
kein Vortheil, kein Namen-Ehrgeiz hatte
je fuͤr ihn den mindeſten Reiz gegen die
Erweiterung und Aufhellung der Wahr-
heit. Er munterte auf, und zwang ange-
nehm zum Selbſtdenken; Deſpotismus
war ſeinem Gemuͤth fremde. Dieſer
Mann, den ich mit groͤßeſter Dankbar-
keit und Hochachtung nenne, iſt Imma-
nuel Kant; ſein Bild ſteht angenehm
vor mir. Ich will ihm nicht die barbari-
ſche Inſchrift ſetzen, die einſt ein ſehr un-
wuͤrdiger Philoſoph empfing:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0189" n="174"/>
Men&#x017F;chen</hi>. Men&#x017F;chen-Vo&#x0364;lker-Natur-<lb/>
ge&#x017F;chichte, Naturlehre, Mathematik und<lb/>
Erfahrung, waren die Quellen, aus de-<lb/>
nen er &#x017F;einen Vortrag und Umgang be-<lb/>
lebte; nichts Wi&#x017F;&#x017F;enswu&#x0364;rdiges war ihm<lb/>
gleichgu&#x0364;ltig; keine Kabale, keine Sekte,<lb/>
kein Vortheil, kein Namen-Ehrgeiz hatte<lb/>
je fu&#x0364;r ihn den minde&#x017F;ten Reiz gegen die<lb/>
Erweiterung und Aufhellung der Wahr-<lb/>
heit. Er munterte auf, und zwang ange-<lb/>
nehm zum <hi rendition="#g">Selb&#x017F;tdenken</hi>; De&#x017F;potismus<lb/>
war &#x017F;einem Gemu&#x0364;th fremde. Die&#x017F;er<lb/>
Mann, den ich mit gro&#x0364;ße&#x017F;ter Dankbar-<lb/>
keit und Hochachtung nenne, i&#x017F;t <hi rendition="#g">Imma</hi>-<lb/><hi rendition="#g">nuel Kant</hi>; &#x017F;ein Bild &#x017F;teht angenehm<lb/>
vor mir. Ich will ihm nicht die barbari-<lb/>
&#x017F;che In&#x017F;chrift &#x017F;etzen, die ein&#x017F;t ein &#x017F;ehr un-<lb/>
wu&#x0364;rdiger Philo&#x017F;oph empfing:</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0189] Menſchen. Menſchen-Voͤlker-Natur- geſchichte, Naturlehre, Mathematik und Erfahrung, waren die Quellen, aus de- nen er ſeinen Vortrag und Umgang be- lebte; nichts Wiſſenswuͤrdiges war ihm gleichguͤltig; keine Kabale, keine Sekte, kein Vortheil, kein Namen-Ehrgeiz hatte je fuͤr ihn den mindeſten Reiz gegen die Erweiterung und Aufhellung der Wahr- heit. Er munterte auf, und zwang ange- nehm zum Selbſtdenken; Deſpotismus war ſeinem Gemuͤth fremde. Dieſer Mann, den ich mit groͤßeſter Dankbar- keit und Hochachtung nenne, iſt Imma- nuel Kant; ſein Bild ſteht angenehm vor mir. Ich will ihm nicht die barbari- ſche Inſchrift ſetzen, die einſt ein ſehr un- wuͤrdiger Philoſoph empfing:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/189
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/189>, abgerufen am 24.11.2024.