Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

stenz, eine sich selbst bestimmende morali-
sche Freiheit. Der dürftige Knechtessinn
ist eine mephitische Luft, in der jede Flam-
me erstickt wird.



Die Philosophie der Griechen
hatte eigentlich kein Publicum, wie die
Künste; ihrer Natur nach hatte sie dessen
auch nicht nöthig.

Die ältesten Weisen der Griechen wa-
ren Gesetzgeber; und wohl dem Volk, des-
sen Gesetzgeber Weise sind. Sokrates er-
schien in einer bedrängten Zeit: sein Pu-
blicum waren Privatgesellschaften
oder einzelne Personen; seine Metho-
de war auf die Entwickelung der Grund-
sätze des Wahren, Guten und Schönen
in diesen einzelnen Personen berech-
net. Und dieses dünkt mich sei der Zweck
der wahren Philosophie, Selbstbildung.

Fünfte Samml. (F)

ſtenz, eine ſich ſelbſt beſtimmende morali-
ſche Freiheit. Der duͤrftige Knechtesſinn
iſt eine mephitiſche Luft, in der jede Flam-
me erſtickt wird.



Die Philoſophie der Griechen
hatte eigentlich kein Publicum, wie die
Kuͤnſte; ihrer Natur nach hatte ſie deſſen
auch nicht noͤthig.

Die aͤlteſten Weiſen der Griechen wa-
ren Geſetzgeber; und wohl dem Volk, deſ-
ſen Geſetzgeber Weiſe ſind. Sokrates er-
ſchien in einer bedraͤngten Zeit: ſein Pu-
blicum waren Privatgeſellſchaften
oder einzelne Perſonen; ſeine Metho-
de war auf die Entwickelung der Grund-
ſaͤtze des Wahren, Guten und Schoͤnen
in dieſen einzelnen Perſonen berech-
net. Und dieſes duͤnkt mich ſei der Zweck
der wahren Philoſophie, Selbſtbildung.

Fuͤnfte Samml. (F)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0096" n="81"/>
&#x017F;tenz, eine &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;timmende morali-<lb/>
&#x017F;che Freiheit. Der du&#x0364;rftige Knechtes&#x017F;inn<lb/>
i&#x017F;t eine mephiti&#x017F;che Luft, in der jede Flam-<lb/>
me er&#x017F;tickt wird.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#g">Die Philo&#x017F;ophie der Griechen</hi><lb/>
hatte eigentlich kein Publicum, wie die<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;te; ihrer Natur nach hatte &#x017F;ie de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
auch nicht no&#x0364;thig.</p><lb/>
          <p>Die a&#x0364;lte&#x017F;ten Wei&#x017F;en der Griechen wa-<lb/>
ren Ge&#x017F;etzgeber; und wohl dem Volk, de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Ge&#x017F;etzgeber Wei&#x017F;e &#x017F;ind. Sokrates er-<lb/>
&#x017F;chien in einer bedra&#x0364;ngten Zeit: &#x017F;ein Pu-<lb/>
blicum waren <hi rendition="#g">Privatge&#x017F;ell&#x017F;chaften</hi><lb/>
oder <hi rendition="#g">einzelne Per&#x017F;onen</hi>; &#x017F;eine Metho-<lb/>
de war auf die Entwickelung der Grund-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tze des Wahren, Guten und Scho&#x0364;nen<lb/>
in die&#x017F;en <hi rendition="#g">einzelnen Per&#x017F;onen</hi> berech-<lb/>
net. Und die&#x017F;es du&#x0364;nkt mich &#x017F;ei der Zweck<lb/>
der wahren Philo&#x017F;ophie, <hi rendition="#g">Selb&#x017F;tbildung</hi>.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Fu&#x0364;nfte Samml. (F)</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0096] ſtenz, eine ſich ſelbſt beſtimmende morali- ſche Freiheit. Der duͤrftige Knechtesſinn iſt eine mephitiſche Luft, in der jede Flam- me erſtickt wird. Die Philoſophie der Griechen hatte eigentlich kein Publicum, wie die Kuͤnſte; ihrer Natur nach hatte ſie deſſen auch nicht noͤthig. Die aͤlteſten Weiſen der Griechen wa- ren Geſetzgeber; und wohl dem Volk, deſ- ſen Geſetzgeber Weiſe ſind. Sokrates er- ſchien in einer bedraͤngten Zeit: ſein Pu- blicum waren Privatgeſellſchaften oder einzelne Perſonen; ſeine Metho- de war auf die Entwickelung der Grund- ſaͤtze des Wahren, Guten und Schoͤnen in dieſen einzelnen Perſonen berech- net. Und dieſes duͤnkt mich ſei der Zweck der wahren Philoſophie, Selbſtbildung. Fuͤnfte Samml. (F)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/96
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/96>, abgerufen am 22.11.2024.