Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795.leicht nicht verstand, die wenigsten sah: (B) 2
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leicht nicht verſtand, die wenigſten ſah:
(denn die ſchoͤnſten ſind nach ihrem Tode
gedichtet) einen unſterblichen Kranz um ihre
unſchuldige Schlaͤfe. Wer den Geſchmack
der provenzaliſchen Poeſie, wer die Beatrice
des Dante kennet, wird hieran nicht zwei-
feln, und die Muͤhe bedauren, die der Le-
bensbeſchreiber Petrarca's, ein Abkoͤmm-
ling der angeblichen Laura, auf die An-
wendung jedes Zuges, der ihre Perſon be-
treffen ſoll, gewandt hat. Jeder Liebhaber
kann und ſoll ſeine Laura in Petrarca's
Gedichten finden; er ſoll ſein Herz mit al-
len Schwachheiten auch darin finden und
die Laͤuterung wahrnehmen, die ein reiner
weiblicher Charakter im Gemuͤth ſowohl des
Juͤnglinges als des Mannes bewirken ſoll
und kann. Hiezu ſteht Laura da; und ich
wuͤßte nicht, ob es einen ſchoͤnern Zweck
der Poeſie der Liebe gebe? wenn ein-
(B) 2
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Zitationshilfe: | Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/34>, abgerufen am 16.02.2025. |