Schmuck, du wider deinen eigenen Wil- len eingezwängte Matrone, und sei, was du seyn kannst und ehemals warest, eine Sprache der Vernunft, der Kraft und Wahrheit. Ihr Väter des Vaterlandes, ehret sie, ehret die Gaben, die sie, unauf- gefordert und unbelohnt, und dennoch nicht unrühmlich darbrachte. Soll jede Kunst und Thätigkeit, durch welche man- cher dem Vaterlande gern zu Hülfe kom- men möchte, sich erst wie jener verlohrne Sohn ausserhalb Landes vermiethen, und die Frucht seines Fleisses oder Geistes ei- ner fremden Hand anvertrauen, damit ihr solche von da aus zu empfangen die Ehre haben möget? Mich dünkt, ich sehe eine Zeit kommen --
Doch lasset uns nicht prophezeien, son- dern hinter Allem nur bemerken, daß jedes Vaterland schon mit seinem süßen
Schmuck, du wider deinen eigenen Wil- len eingezwaͤngte Matrone, und ſei, was du ſeyn kannſt und ehemals wareſt, eine Sprache der Vernunft, der Kraft und Wahrheit. Ihr Vaͤter des Vaterlandes, ehret ſie, ehret die Gaben, die ſie, unauf- gefordert und unbelohnt, und dennoch nicht unruͤhmlich darbrachte. Soll jede Kunſt und Thaͤtigkeit, durch welche man- cher dem Vaterlande gern zu Huͤlfe kom- men moͤchte, ſich erſt wie jener verlohrne Sohn auſſerhalb Landes vermiethen, und die Frucht ſeines Fleiſſes oder Geiſtes ei- ner fremden Hand anvertrauen, damit ihr ſolche von da aus zu empfangen die Ehre haben moͤget? Mich duͤnkt, ich ſehe eine Zeit kommen —
Doch laſſet uns nicht prophezeien, ſon- dern hinter Allem nur bemerken, daß jedes Vaterland ſchon mit ſeinem ſuͤßen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0161"n="146"/>
Schmuck, du wider deinen eigenen Wil-<lb/>
len eingezwaͤngte Matrone, und ſei, was<lb/>
du ſeyn kannſt und ehemals wareſt, eine<lb/>
Sprache der Vernunft, der Kraft und<lb/>
Wahrheit. Ihr Vaͤter des Vaterlandes,<lb/>
ehret ſie, ehret die Gaben, die ſie, unauf-<lb/>
gefordert und unbelohnt, und dennoch<lb/>
nicht unruͤhmlich darbrachte. Soll jede<lb/>
Kunſt und Thaͤtigkeit, durch welche man-<lb/>
cher dem Vaterlande gern zu Huͤlfe kom-<lb/>
men moͤchte, ſich erſt wie jener verlohrne<lb/>
Sohn auſſerhalb Landes vermiethen, und<lb/>
die Frucht ſeines Fleiſſes oder Geiſtes ei-<lb/>
ner fremden Hand anvertrauen, damit ihr<lb/>ſolche von da aus zu empfangen die Ehre<lb/>
haben moͤget? Mich duͤnkt, ich ſehe eine<lb/>
Zeit kommen —</p><lb/><p>Doch laſſet uns nicht prophezeien, ſon-<lb/>
dern hinter Allem nur bemerken, daß<lb/>
jedes Vaterland ſchon mit ſeinem ſuͤßen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[146/0161]
Schmuck, du wider deinen eigenen Wil-
len eingezwaͤngte Matrone, und ſei, was
du ſeyn kannſt und ehemals wareſt, eine
Sprache der Vernunft, der Kraft und
Wahrheit. Ihr Vaͤter des Vaterlandes,
ehret ſie, ehret die Gaben, die ſie, unauf-
gefordert und unbelohnt, und dennoch
nicht unruͤhmlich darbrachte. Soll jede
Kunſt und Thaͤtigkeit, durch welche man-
cher dem Vaterlande gern zu Huͤlfe kom-
men moͤchte, ſich erſt wie jener verlohrne
Sohn auſſerhalb Landes vermiethen, und
die Frucht ſeines Fleiſſes oder Geiſtes ei-
ner fremden Hand anvertrauen, damit ihr
ſolche von da aus zu empfangen die Ehre
haben moͤget? Mich duͤnkt, ich ſehe eine
Zeit kommen —
Doch laſſet uns nicht prophezeien, ſon-
dern hinter Allem nur bemerken, daß
jedes Vaterland ſchon mit ſeinem ſuͤßen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/161>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.