tet, aus der Anmaassung, die dem Schlechtsten das Privilegium des Besten ertheilen zu können glaubt, aus der nie Theilnehmenden Kälte, aus der völligen Seelenentfremdung, glaube mir, wird nichts, und kann nichts werden. Die Zeit, da das Alles galt, ist vorüber. Un- sanft aus dem Schlafe gerüttelt, erwache und zeige, daß du kein Barbar bist, da- mit man dir nicht als einem Barbaren begegne. Deine Sprache, die Schwester der Griechischen, die Königinn und Mut- ter vieler Völker, für ganz Europa hast du zu sichern, auszubilden, zu be- wahren.
Sollten wir aber blos in Reden und Schriften, in Lehren und Hören ein Pu- blicum haben? keins für unsre Handlun- gen? keins für unser ganzes Daseyn? Kein Publicum, das auf uns wirkte, wor-
tet, aus der Anmaaſſung, die dem Schlechtſten das Privilegium des Beſten ertheilen zu koͤnnen glaubt, aus der nie Theilnehmenden Kaͤlte, aus der voͤlligen Seelenentfremdung, glaube mir, wird nichts, und kann nichts werden. Die Zeit, da das Alles galt, iſt voruͤber. Un- ſanft aus dem Schlafe geruͤttelt, erwache und zeige, daß du kein Barbar biſt, da- mit man dir nicht als einem Barbaren begegne. Deine Sprache, die Schweſter der Griechiſchen, die Koͤniginn und Mut- ter vieler Voͤlker, fuͤr ganz Europa haſt du zu ſichern, auszubilden, zu be- wahren.
Sollten wir aber blos in Reden und Schriften, in Lehren und Hoͤren ein Pu- blicum haben? keins fuͤr unſre Handlun- gen? keins fuͤr unſer ganzes Daſeyn? Kein Publicum, das auf uns wirkte, wor-
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tet, aus der Anmaaſſung, die dem
Schlechtſten das Privilegium des Beſten
ertheilen zu koͤnnen glaubt, aus der nie
Theilnehmenden Kaͤlte, aus der voͤlligen
Seelenentfremdung, glaube mir,
wird nichts, und kann nichts werden. Die
Zeit, da das Alles galt, iſt voruͤber. Un-
ſanft aus dem Schlafe geruͤttelt, erwache
und zeige, daß du kein Barbar biſt, da-
mit man dir nicht als einem Barbaren
begegne. Deine Sprache, die Schweſter
der Griechiſchen, die Koͤniginn und Mut-
ter vieler Voͤlker, fuͤr ganz Europa haſt
du zu ſichern, auszubilden, zu be-
wahren.
Sollten wir aber blos in Reden und
Schriften, in Lehren und Hoͤren ein Pu-
blicum haben? keins fuͤr unſre Handlun-
gen? keins fuͤr unſer ganzes Daſeyn?
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/137>, abgerufen am 23.07.2024.
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