seiner Werke; auch unter uns darf sich kein Stand einer Schrift, wenn sie gut ist, schämen; dem höchsten, wie dem nie- drigsten Stande sollte Anonymie nicht er- laubt seyn, und überhaupt dieselbe für das was sie ist, für Hinterlist, Schimpf, niedriges Gewerbe und Feigheit gelten. Wer zum Publicum spricht, spreche als ein Theil des Publi- cums, also öffentlich, mit seinem Namen.
Noch ein viel Mehrers wäre über das Verhältniß des Schriftstellers zum Publi- cum zu reden. Jede Gattung der Scri- benten schreibt für ihre Gattung Leser, die sie ihr Publicum, ihre Welt nennen. Aus frölichen oder traurigen Erfahrun- gen, welche Schriften am meisten gele- sen werden, kann man also auf den Ge- schmack, auf das Maas der Bildung des Publicums schliessen, dem diese Schrif-
ſeiner Werke; auch unter uns darf ſich kein Stand einer Schrift, wenn ſie gut iſt, ſchaͤmen; dem hoͤchſten, wie dem nie- drigſten Stande ſollte Anonymie nicht er- laubt ſeyn, und uͤberhaupt dieſelbe fuͤr das was ſie iſt, fuͤr Hinterliſt, Schimpf, niedriges Gewerbe und Feigheit gelten. Wer zum Publicum ſpricht, ſpreche als ein Theil des Publi- cums, alſo oͤffentlich, mit ſeinem Namen.
Noch ein viel Mehrers waͤre uͤber das Verhaͤltniß des Schriftſtellers zum Publi- cum zu reden. Jede Gattung der Scri- benten ſchreibt fuͤr ihre Gattung Leſer, die ſie ihr Publicum, ihre Welt nennen. Aus froͤlichen oder traurigen Erfahrun- gen, welche Schriften am meiſten gele- ſen werden, kann man alſo auf den Ge- ſchmack, auf das Maas der Bildung des Publicums ſchlieſſen, dem dieſe Schrif-
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ſeiner Werke; auch unter uns darf ſich
kein Stand einer Schrift, wenn ſie gut
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drigſten Stande ſollte Anonymie nicht er-
laubt ſeyn, und uͤberhaupt dieſelbe fuͤr
das was ſie iſt, fuͤr Hinterliſt,
Schimpf, niedriges Gewerbe und
Feigheit gelten. Wer zum Publicum
ſpricht, ſpreche als ein Theil des Publi-
cums, alſo oͤffentlich, mit ſeinem Namen.
Noch ein viel Mehrers waͤre uͤber das
Verhaͤltniß des Schriftſtellers zum Publi-
cum zu reden. Jede Gattung der Scri-
benten ſchreibt fuͤr ihre Gattung Leſer,
die ſie ihr Publicum, ihre Welt nennen.
Aus froͤlichen oder traurigen Erfahrun-
gen, welche Schriften am meiſten gele-
ſen werden, kann man alſo auf den Ge-
ſchmack, auf das Maas der Bildung
des Publicums ſchlieſſen, dem dieſe Schrif-
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/132>, abgerufen am 16.02.2025.
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