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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794.

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Fortschritt? Hier also ist, recht gebraucht,
Weisheit und Klugheit der Natur zu ler-
nen; hier oder nirgend. Immer werden
uns die schönen Pflanzen- und Baumfa-
beln, insonderheit des Orients reizen, wo
sie in ihrer stummen Sprache uns ewige
süße Naturwahrheit sagen.

Die Mythologie ist eine belebte Welt.
Nur mit Entzücken kann ich daran denken,
wie viel Geist, Sinn und Gemüth man in
flüchtige Erscheinungen, in wandelbare Ge-
stalten der Natur gelegt hat, allen Men-
schen zur Ansicht, und dem menschlichern
Menschen zur Bildung und Lehre. Wer
irgend eine schöne Dichtung der alten My-
thologie und Naturlehre uns neu ins Ge-
müth zu rufen weiß, hat eine Blume vom
Kranz der Mutter der Götter ge-
pflückt und in unsre Gärten verpflanzet.

Fortſchritt? Hier alſo iſt, recht gebraucht,
Weisheit und Klugheit der Natur zu ler-
nen; hier oder nirgend. Immer werden
uns die ſchoͤnen Pflanzen- und Baumfa-
beln, inſonderheit des Orients reizen, wo
ſie in ihrer ſtummen Sprache uns ewige
ſuͤße Naturwahrheit ſagen.

Die Mythologie iſt eine belebte Welt.
Nur mit Entzuͤcken kann ich daran denken,
wie viel Geiſt, Sinn und Gemuͤth man in
fluͤchtige Erſcheinungen, in wandelbare Ge-
ſtalten der Natur gelegt hat, allen Men-
ſchen zur Anſicht, und dem menſchlichern
Menſchen zur Bildung und Lehre. Wer
irgend eine ſchoͤne Dichtung der alten My-
thologie und Naturlehre uns neu ins Ge-
muͤth zu rufen weiß, hat eine Blume vom
Kranz der Mutter der Goͤtter ge-
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[74/0079] Fortſchritt? Hier alſo iſt, recht gebraucht, Weisheit und Klugheit der Natur zu ler- nen; hier oder nirgend. Immer werden uns die ſchoͤnen Pflanzen- und Baumfa- beln, inſonderheit des Orients reizen, wo ſie in ihrer ſtummen Sprache uns ewige ſuͤße Naturwahrheit ſagen. Die Mythologie iſt eine belebte Welt. Nur mit Entzuͤcken kann ich daran denken, wie viel Geiſt, Sinn und Gemuͤth man in fluͤchtige Erſcheinungen, in wandelbare Ge- ſtalten der Natur gelegt hat, allen Men- ſchen zur Anſicht, und dem menſchlichern Menſchen zur Bildung und Lehre. Wer irgend eine ſchoͤne Dichtung der alten My- thologie und Naturlehre uns neu ins Ge- muͤth zu rufen weiß, hat eine Blume vom Kranz der Mutter der Goͤtter ge- pfluͤckt und in unſre Gaͤrten verpflanzet.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794/79>, abgerufen am 25.11.2024.