men an Gedanken gar keinen Theil,) daß, wenn man dies alles zusammenhält, man es den Magistern nicht übel nehmen kann, wenn sie pro gradu noch bis jetzt über das Thema disputiren: "welche Regimentsver- fassung Deutschland habe? oder ob die Deutschen eine Nation seyn?" Die spot- tenden Urtheile der Ausländer hierüber, auch wenn sie unserm Fleiß, unsrer Treue, unsrem Biedersinn Gerechtigkeit wiederfah- ren lassen, sind bekannt. Sollte es also nicht der geringste Dank seyn, den man dem verstorbenen Diener erweiset, daß man mit seinen Dienstleistungen auch die Gedanken, deren er sich dabei erkühn- te, der Nachwelt nicht entziehe? Wenig- stens bilden sodann doch die treuen Die- ner eine Kette, die Jahrhunderte durch- reicht, und an die sich neue treue Die- ner anschließen mögen. Das Jahrhun-
men an Gedanken gar keinen Theil,) daß, wenn man dies alles zuſammenhaͤlt, man es den Magiſtern nicht uͤbel nehmen kann, wenn ſie pro gradu noch bis jetzt uͤber das Thema diſputiren: „welche Regimentsver- faſſung Deutſchland habe? oder ob die Deutſchen eine Nation ſeyn?“ Die ſpot- tenden Urtheile der Auslaͤnder hieruͤber, auch wenn ſie unſerm Fleiß, unſrer Treue, unſrem Biederſinn Gerechtigkeit wiederfah- ren laſſen, ſind bekannt. Sollte es alſo nicht der geringſte Dank ſeyn, den man dem verſtorbenen Diener erweiſet, daß man mit ſeinen Dienſtleiſtungen auch die Gedanken, deren er ſich dabei erkuͤhn- te, der Nachwelt nicht entziehe? Wenig- ſtens bilden ſodann doch die treuen Die- ner eine Kette, die Jahrhunderte durch- reicht, und an die ſich neue treue Die- ner anſchließen moͤgen. Das Jahrhun-
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men an Gedanken gar keinen Theil,) daß,
wenn man dies alles zuſammenhaͤlt, man
es den Magiſtern nicht uͤbel nehmen kann,
wenn ſie pro gradu noch bis jetzt uͤber das
Thema diſputiren: „welche Regimentsver-
faſſung Deutſchland habe? oder ob die
Deutſchen eine Nation ſeyn?“ Die ſpot-
tenden Urtheile der Auslaͤnder hieruͤber,
auch wenn ſie unſerm Fleiß, unſrer Treue,
unſrem Biederſinn Gerechtigkeit wiederfah-
ren laſſen, ſind bekannt. Sollte es alſo
nicht der geringſte Dank ſeyn, den man
dem verſtorbenen Diener erweiſet, daß
man mit ſeinen Dienſtleiſtungen auch
die Gedanken, deren er ſich dabei erkuͤhn-
te, der Nachwelt nicht entziehe? Wenig-
ſtens bilden ſodann doch die treuen Die-
ner eine Kette, die Jahrhunderte durch-
reicht, und an die ſich neue treue Die-
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794/171>, abgerufen am 22.07.2024.
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