Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794.So mit Strömen des Blutes erkauft? Wer Blicke des Argwohns begegnen dem Freund' aus dem Auge des Freundes. Jedes festere Band des Lebens knüpfet und lös't sich Nur durch Unwill und Wuth. Ich sehe den stilleren Weisen Einsam wandeln; sein Haupt deckt trüber Tiefsinn; es hänget Zitternd über demselben das Schwert der Ent- scheidung; ihm tönen Nicht mehr die Lieder ins Ohr der zarten Liebe, der Freundschaft, Der erweckten Natur, des süßen traulichen Umgangs. Und o das blühende Mädchen! Ihr Hauch belebte die Wüste, Wann die Wüste beleben sich könnte. Von ihrem Gesange So mit Stroͤmen des Blutes erkauft? Wer Blicke des Argwohns begegnen dem Freund' aus dem Auge des Freundes. Jedes feſtere Band des Lebens knuͤpfet und loͤſ't ſich Nur durch Unwill und Wuth. Ich ſehe den ſtilleren Weiſen Einſam wandeln; ſein Haupt deckt truͤber Tiefſinn; es haͤnget Zitternd uͤber demſelben das Schwert der Ent- ſcheidung; ihm toͤnen Nicht mehr die Lieder ins Ohr der zarten Liebe, der Freundſchaft, Der erweckten Natur, des ſuͤßen traulichen Umgangs. Und o das bluͤhende Maͤdchen! Ihr Hauch belebte die Wuͤſte, Wann die Wuͤſte beleben ſich koͤnnte. Von ihrem Geſange <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="4"> <pb facs="#f0139" n="134"/> <l>So mit Stroͤmen des Blutes erkauft? Wer</l><lb/> <l>wird ſie erkennen,</l><lb/> <l>Wer die ſchmalere Grenze, wo Recht ſich ſchei-</l><lb/> <l>det vom Unrecht?</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Blicke des Argwohns begegnen dem Freund'</l><lb/> <l>aus dem Auge des Freundes.</l><lb/> <l>Jedes feſtere Band des Lebens knuͤpfet und</l><lb/> <l>loͤſ't ſich</l><lb/> <l>Nur durch Unwill und Wuth. Ich ſehe den</l><lb/> <l>ſtilleren Weiſen</l><lb/> <l>Einſam wandeln; ſein Haupt deckt truͤber</l><lb/> <l>Tiefſinn; es haͤnget</l><lb/> <l>Zitternd uͤber demſelben das Schwert der Ent-</l><lb/> <l>ſcheidung; ihm toͤnen</l><lb/> <l>Nicht mehr die Lieder ins Ohr der zarten</l><lb/> <l>Liebe, der Freundſchaft,</l><lb/> <l>Der erweckten Natur, des ſuͤßen traulichen</l><lb/> <l>Umgangs.</l><lb/> <l>Und o das bluͤhende Maͤdchen! Ihr Hauch</l><lb/> <l>belebte die Wuͤſte,</l><lb/> <l>Wann die Wuͤſte beleben ſich koͤnnte. Von</l><lb/> <l>ihrem Geſange</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [134/0139]
So mit Stroͤmen des Blutes erkauft? Wer
wird ſie erkennen,
Wer die ſchmalere Grenze, wo Recht ſich ſchei-
det vom Unrecht?
Blicke des Argwohns begegnen dem Freund'
aus dem Auge des Freundes.
Jedes feſtere Band des Lebens knuͤpfet und
loͤſ't ſich
Nur durch Unwill und Wuth. Ich ſehe den
ſtilleren Weiſen
Einſam wandeln; ſein Haupt deckt truͤber
Tiefſinn; es haͤnget
Zitternd uͤber demſelben das Schwert der Ent-
ſcheidung; ihm toͤnen
Nicht mehr die Lieder ins Ohr der zarten
Liebe, der Freundſchaft,
Der erweckten Natur, des ſuͤßen traulichen
Umgangs.
Und o das bluͤhende Maͤdchen! Ihr Hauch
belebte die Wuͤſte,
Wann die Wuͤſte beleben ſich koͤnnte. Von
ihrem Geſange
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Zitationshilfe: | Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794/139>, abgerufen am 22.07.2024. |