Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

zu Hause, gegen den König, gegen seine
Gemahlin, gegen Hofleute, Erzieher, Leh-
rer, Hausgenossen handeln. Handeln;
nicht nur sprechen oder denken. Und allent-
halben ist er sich gleich; allenthalben bleibt
er die edle, standhafte, in größester Stille
wirkende Seele. Es ist, als ob Fenelons
Geist ihn nicht umschwebe, sondern erfüllt
habe; Fenelons Denkart ist in die seinige
verwebet.

Sage nun jemand, daß Erziehung,
wenn sie rechter Art ist, nichts fruchte!
Der Mensch ist ja alles durch Erziehung;
oder vielmehr er wirds, bis ans Ende sei-
nes Lebens. Nur kommt es darauf an,
wie er erzogen werde? Bildung der Denk-
art, der Gesinnungen und Sitten ist die
einzige Erziehung, die diesen Namen
verdient, nicht Unterricht, nicht Lehre.
Und wohl dem Prinzen, dem ein Fenelon

H 3

zu Hauſe, gegen den Koͤnig, gegen ſeine
Gemahlin, gegen Hofleute, Erzieher, Leh-
rer, Hausgenoſſen handeln. Handeln;
nicht nur ſprechen oder denken. Und allent-
halben iſt er ſich gleich; allenthalben bleibt
er die edle, ſtandhafte, in groͤßeſter Stille
wirkende Seele. Es iſt, als ob Fenelons
Geiſt ihn nicht umſchwebe, ſondern erfuͤllt
habe; Fenelons Denkart iſt in die ſeinige
verwebet.

Sage nun jemand, daß Erziehung,
wenn ſie rechter Art iſt, nichts fruchte!
Der Menſch iſt ja alles durch Erziehung;
oder vielmehr er wirds, bis ans Ende ſei-
nes Lebens. Nur kommt es darauf an,
wie er erzogen werde? Bildung der Denk-
art, der Geſinnungen und Sitten iſt die
einzige Erziehung, die dieſen Namen
verdient, nicht Unterricht, nicht Lehre.
Und wohl dem Prinzen, dem ein Fenelon

H 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0122" n="117"/>
zu Hau&#x017F;e, gegen den Ko&#x0364;nig, gegen &#x017F;eine<lb/>
Gemahlin, gegen Hofleute, Erzieher, Leh-<lb/>
rer, Hausgeno&#x017F;&#x017F;en handeln. Handeln;<lb/>
nicht nur &#x017F;prechen oder denken. Und allent-<lb/>
halben i&#x017F;t er &#x017F;ich gleich; allenthalben bleibt<lb/>
er die edle, &#x017F;tandhafte, in gro&#x0364;ße&#x017F;ter Stille<lb/>
wirkende Seele. Es i&#x017F;t, als ob Fenelons<lb/>
Gei&#x017F;t ihn nicht um&#x017F;chwebe, &#x017F;ondern erfu&#x0364;llt<lb/>
habe; Fenelons Denkart i&#x017F;t in die &#x017F;einige<lb/>
verwebet.</p><lb/>
        <p>Sage nun jemand, daß Erziehung,<lb/>
wenn &#x017F;ie rechter Art i&#x017F;t, nichts fruchte!<lb/>
Der Men&#x017F;ch i&#x017F;t ja alles durch Erziehung;<lb/>
oder vielmehr er wirds, bis ans Ende &#x017F;ei-<lb/>
nes Lebens. Nur kommt es darauf an,<lb/>
wie er erzogen werde? Bildung der Denk-<lb/>
art, der Ge&#x017F;innungen und Sitten i&#x017F;t die<lb/><hi rendition="#g">einzige</hi> Erziehung, die die&#x017F;en Namen<lb/>
verdient, nicht Unterricht, nicht Lehre.<lb/>
Und wohl dem Prinzen, dem ein Fenelon<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0122] zu Hauſe, gegen den Koͤnig, gegen ſeine Gemahlin, gegen Hofleute, Erzieher, Leh- rer, Hausgenoſſen handeln. Handeln; nicht nur ſprechen oder denken. Und allent- halben iſt er ſich gleich; allenthalben bleibt er die edle, ſtandhafte, in groͤßeſter Stille wirkende Seele. Es iſt, als ob Fenelons Geiſt ihn nicht umſchwebe, ſondern erfuͤllt habe; Fenelons Denkart iſt in die ſeinige verwebet. Sage nun jemand, daß Erziehung, wenn ſie rechter Art iſt, nichts fruchte! Der Menſch iſt ja alles durch Erziehung; oder vielmehr er wirds, bis ans Ende ſei- nes Lebens. Nur kommt es darauf an, wie er erzogen werde? Bildung der Denk- art, der Geſinnungen und Sitten iſt die einzige Erziehung, die dieſen Namen verdient, nicht Unterricht, nicht Lehre. Und wohl dem Prinzen, dem ein Fenelon H 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794/122
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794/122>, abgerufen am 24.11.2024.