haben wir auch ein gemeinschaftliches Ge- setz. Ist das, so sind wir Bürger und nehmen an Einem gemeinschaftlichen Staate Theil. Dieser Staat ist die Welt: denn was für einen andern Staat könnte je- mand nennen, an dem das ganze Menschen- geschlecht Theil nehme? Aus diesem ge- meinschaftlichen Staat also haben wir alle denselben Verstand, dieselbe Vernunft, die- selbe Gesetzgebende Vernunft: denn woher hätten wir sie sonst? Wie das Irrdische an mir, das Feuchte, das Luftige, das Feurige jedes aus der Quelle seines Ele- ments kommt, und dahin gehöret: so muß auch der Verstand irgend woher seyn und dazu gehören."
"Was Dir füglich ist, o Weltall, ist auch mir bequem. Nichts kommt mir zu frühe, nichts zu spät, was dir recht ist. Alles ist mir Frucht, o Natur, was Deine
haben wir auch ein gemeinſchaftliches Ge- ſetz. Iſt das, ſo ſind wir Buͤrger und nehmen an Einem gemeinſchaftlichen Staate Theil. Dieſer Staat iſt die Welt: denn was fuͤr einen andern Staat koͤnnte je- mand nennen, an dem das ganze Menſchen- geſchlecht Theil nehme? Aus dieſem ge- meinſchaftlichen Staat alſo haben wir alle denſelben Verſtand, dieſelbe Vernunft, die- ſelbe Geſetzgebende Vernunft: denn woher haͤtten wir ſie ſonſt? Wie das Irrdiſche an mir, das Feuchte, das Luftige, das Feurige jedes aus der Quelle ſeines Ele- ments kommt, und dahin gehoͤret: ſo muß auch der Verſtand irgend woher ſeyn und dazu gehoͤren.“
„Was Dir fuͤglich iſt, o Weltall, iſt auch mir bequem. Nichts kommt mir zu fruͤhe, nichts zu ſpaͤt, was dir recht iſt. Alles iſt mir Frucht, o Natur, was Deine
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haben wir auch ein gemeinſchaftliches Ge-
ſetz. Iſt das, ſo ſind wir Buͤrger und
nehmen an Einem gemeinſchaftlichen Staate
Theil. Dieſer Staat iſt die Welt: denn
was fuͤr einen andern Staat koͤnnte je-
mand nennen, an dem das ganze Menſchen-
geſchlecht Theil nehme? Aus dieſem ge-
meinſchaftlichen Staat alſo haben wir alle
denſelben Verſtand, dieſelbe Vernunft, die-
ſelbe Geſetzgebende Vernunft: denn woher
haͤtten wir ſie ſonſt? Wie das Irrdiſche
an mir, das Feuchte, das Luftige, das
Feurige jedes aus der Quelle ſeines Ele-
ments kommt, und dahin gehoͤret: ſo muß
auch der Verſtand irgend woher ſeyn und
dazu gehoͤren.“
„Was Dir fuͤglich iſt, o Weltall, iſt
auch mir bequem. Nichts kommt mir zu
fruͤhe, nichts zu ſpaͤt, was dir recht iſt.
Alles iſt mir Frucht, o Natur, was Deine
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/37>, abgerufen am 16.02.2025.
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