Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

sehr strenge und doch auch nachgebend seyn
könne. Ich habe von ihm gelernt, wie
man von Freunden sogenannte Gefälligkei-
ten annehmen könne, daß man ihnen we-
der verhaftet werde, noch solche Gefühllos
zurückweisen dürfe."

"Vom Sextus lernte ich Wohlwollen;
ich empfing das Muster einer väterlichen
Hausverwaltung, und den Sinn, nach der
Natur zu leben. Ich lernte, ernst seyn
ohne Steifheit, mich in Freunde schicken
ohne Laune, Unwissende und vom Wahn Ge-
leitete dulden. An ihm sah ich, was Ge-
fälligkeit gegen Jedermann sey: denn sein
Umgang war angenehmer als alle Schmei-
chelei, und doch blieb er zu eben der Zeit
bei allen in Achtung."

"Von meinem Bruder Severus lernte
ich Verwandte, Recht und Wahrheit lie-
ben. Durch ihn lernte ich einen Thrasea,

ſehr ſtrenge und doch auch nachgebend ſeyn
koͤnne. Ich habe von ihm gelernt, wie
man von Freunden ſogenannte Gefaͤlligkei-
ten annehmen koͤnne, daß man ihnen we-
der verhaftet werde, noch ſolche Gefuͤhllos
zuruͤckweiſen duͤrfe.“

„Vom Sextus lernte ich Wohlwollen;
ich empfing das Muſter einer vaͤterlichen
Hausverwaltung, und den Sinn, nach der
Natur zu leben. Ich lernte, ernſt ſeyn
ohne Steifheit, mich in Freunde ſchicken
ohne Laune, Unwiſſende und vom Wahn Ge-
leitete dulden. An ihm ſah ich, was Ge-
faͤlligkeit gegen Jedermann ſey: denn ſein
Umgang war angenehmer als alle Schmei-
chelei, und doch blieb er zu eben der Zeit
bei allen in Achtung.“

„Von meinem Bruder Severus lernte
ich Verwandte, Recht und Wahrheit lie-
ben. Durch ihn lernte ich einen Thraſea,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0035" n="26"/>
&#x017F;ehr &#x017F;trenge und doch auch nachgebend &#x017F;eyn<lb/>
ko&#x0364;nne. Ich habe von ihm gelernt, wie<lb/>
man von Freunden &#x017F;ogenannte Gefa&#x0364;lligkei-<lb/>
ten annehmen ko&#x0364;nne, daß man ihnen we-<lb/>
der verhaftet werde, noch &#x017F;olche Gefu&#x0364;hllos<lb/>
zuru&#x0364;ckwei&#x017F;en du&#x0364;rfe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Vom Sextus lernte ich Wohlwollen;<lb/>
ich empfing das Mu&#x017F;ter einer va&#x0364;terlichen<lb/>
Hausverwaltung, und den Sinn, nach der<lb/>
Natur zu leben. Ich lernte, ern&#x017F;t &#x017F;eyn<lb/>
ohne Steifheit, mich in Freunde &#x017F;chicken<lb/>
ohne Laune, Unwi&#x017F;&#x017F;ende und vom Wahn Ge-<lb/>
leitete dulden. An ihm &#x017F;ah ich, was Ge-<lb/>
fa&#x0364;lligkeit gegen Jedermann &#x017F;ey: denn &#x017F;ein<lb/>
Umgang war angenehmer als alle Schmei-<lb/>
chelei, und doch blieb er zu eben der Zeit<lb/>
bei allen in Achtung.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Von meinem Bruder Severus lernte<lb/>
ich Verwandte, Recht und Wahrheit lie-<lb/>
ben. Durch ihn lernte ich einen <hi rendition="#g">Thra&#x017F;ea</hi>,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0035] ſehr ſtrenge und doch auch nachgebend ſeyn koͤnne. Ich habe von ihm gelernt, wie man von Freunden ſogenannte Gefaͤlligkei- ten annehmen koͤnne, daß man ihnen we- der verhaftet werde, noch ſolche Gefuͤhllos zuruͤckweiſen duͤrfe.“ „Vom Sextus lernte ich Wohlwollen; ich empfing das Muſter einer vaͤterlichen Hausverwaltung, und den Sinn, nach der Natur zu leben. Ich lernte, ernſt ſeyn ohne Steifheit, mich in Freunde ſchicken ohne Laune, Unwiſſende und vom Wahn Ge- leitete dulden. An ihm ſah ich, was Ge- faͤlligkeit gegen Jedermann ſey: denn ſein Umgang war angenehmer als alle Schmei- chelei, und doch blieb er zu eben der Zeit bei allen in Achtung.“ „Von meinem Bruder Severus lernte ich Verwandte, Recht und Wahrheit lie- ben. Durch ihn lernte ich einen Thraſea,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/35
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/35>, abgerufen am 18.12.2024.