also Bildung zur Humanität; alle großen und guten Menschen, Gesetzgeber, Erfinder, Philosophen, Dichter, Künstler, jeder edle Mensch in seinem Stande, bei der Erziehung seiner Kinder, bei der Be- obachtung seiner Pflichten, durch Beispiel, Werk, Institut und Lehre hat dazu mitge- holfen. Humanität ist der Schatz und die Ausbeute aller menschlichen Bemühungen, gleichsam die Kunst unsres Geschlech- tes. Die Bildung zu ihr ist ein Werk, das unabläßig fortgesetzt werden muß; oder wir sinken, höhere und niedere Stände, zur rohen Thierheit, zur Brutalität zurück.
Sollte das Wort Humanität also un- sre Sprache verunzieren? Alle gebildete Nationen haben es in ihre Mundart auf- genommen; und wenn unsre Briefe einem Fremden in die Hand kämen, müßten sie
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alſo Bildung zur Humanitaͤt; alle großen und guten Menſchen, Geſetzgeber, Erfinder, Philoſophen, Dichter, Kuͤnſtler, jeder edle Menſch in ſeinem Stande, bei der Erziehung ſeiner Kinder, bei der Be- obachtung ſeiner Pflichten, durch Beiſpiel, Werk, Inſtitut und Lehre hat dazu mitge- holfen. Humanitaͤt iſt der Schatz und die Ausbeute aller menſchlichen Bemuͤhungen, gleichſam die Kunſt unſres Geſchlech- tes. Die Bildung zu ihr iſt ein Werk, das unablaͤßig fortgeſetzt werden muß; oder wir ſinken, hoͤhere und niedere Staͤnde, zur rohen Thierheit, zur Brutalitaͤt zuruͤck.
Sollte das Wort Humanitaͤt alſo un- ſre Sprache verunzieren? Alle gebildete Nationen haben es in ihre Mundart auf- genommen; und wenn unſre Briefe einem Fremden in die Hand kaͤmen, muͤßten ſie
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alſo Bildung zur Humanitaͤt; alle
großen und guten Menſchen, Geſetzgeber,
Erfinder, Philoſophen, Dichter, Kuͤnſtler,
jeder edle Menſch in ſeinem Stande, bei
der Erziehung ſeiner Kinder, bei der Be-
obachtung ſeiner Pflichten, durch Beiſpiel,
Werk, Inſtitut und Lehre hat dazu mitge-
holfen. Humanitaͤt iſt der Schatz und die
Ausbeute aller menſchlichen Bemuͤhungen,
gleichſam die Kunſt unſres Geſchlech-
tes. Die Bildung zu ihr iſt ein Werk,
das unablaͤßig fortgeſetzt werden muß; oder
wir ſinken, hoͤhere und niedere Staͤnde,
zur rohen Thierheit, zur Brutalitaͤt
zuruͤck.
Sollte das Wort Humanitaͤt alſo un-
ſre Sprache verunzieren? Alle gebildete
Nationen haben es in ihre Mundart auf-
genommen; und wenn unſre Briefe einem
Fremden in die Hand kaͤmen, muͤßten ſie
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/18>, abgerufen am 16.02.2025.
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