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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

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das der von seiner Meinung durchdrun-
gene Swift sich selbst machte. Pope
schien ihm Recht zu geben, äußerte aber
zugleich, daß er Maximen schreiben wollte,
die Rochefoucaults Grundsätzen ins-
gesammt entgegengesetzt wären; wogegen
Swift in noch härteren Ausdrücken den
Rochefoucault, als seinen Liebling, in
welchem er seinen ganzen Character gefun-
den, heftig in Schutz nimmt.

Bei Swift nämlich war diese Men-
schenfeindschaft nicht witzige Laune, son-
dern ein bittrer Ernst, wie seine Schrif-
ten, wie sein Leben es zeiget. Er hatte
einen so tiefen Groll gegen die menschliche
Gesellschaft gefaßt, daß selbst seine Men-
schenfreundschaft, seine strenge Sorge für
die von der Natur und dem Staat ver-
wahrloseten Unglücklichen sich in dies rauhe
Gewand kleidete; er schien ein Zuchtmei-

das der von ſeiner Meinung durchdrun-
gene Swift ſich ſelbſt machte. Pope
ſchien ihm Recht zu geben, aͤußerte aber
zugleich, daß er Maximen ſchreiben wollte,
die Rochefoucaults Grundſaͤtzen ins-
geſammt entgegengeſetzt waͤren; wogegen
Swift in noch haͤrteren Ausdruͤcken den
Rochefoucault, als ſeinen Liebling, in
welchem er ſeinen ganzen Character gefun-
den, heftig in Schutz nimmt.

Bei Swift naͤmlich war dieſe Men-
ſchenfeindſchaft nicht witzige Laune, ſon-
dern ein bittrer Ernſt, wie ſeine Schrif-
ten, wie ſein Leben es zeiget. Er hatte
einen ſo tiefen Groll gegen die menſchliche
Geſellſchaft gefaßt, daß ſelbſt ſeine Men-
ſchenfreundſchaft, ſeine ſtrenge Sorge fuͤr
die von der Natur und dem Staat ver-
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[154/0163] das der von ſeiner Meinung durchdrun- gene Swift ſich ſelbſt machte. Pope ſchien ihm Recht zu geben, aͤußerte aber zugleich, daß er Maximen ſchreiben wollte, die Rochefoucaults Grundſaͤtzen ins- geſammt entgegengeſetzt waͤren; wogegen Swift in noch haͤrteren Ausdruͤcken den Rochefoucault, als ſeinen Liebling, in welchem er ſeinen ganzen Character gefun- den, heftig in Schutz nimmt. Bei Swift naͤmlich war dieſe Men- ſchenfeindſchaft nicht witzige Laune, ſon- dern ein bittrer Ernſt, wie ſeine Schrif- ten, wie ſein Leben es zeiget. Er hatte einen ſo tiefen Groll gegen die menſchliche Geſellſchaft gefaßt, daß ſelbſt ſeine Men- ſchenfreundſchaft, ſeine ſtrenge Sorge fuͤr die von der Natur und dem Staat ver- wahrloſeten Ungluͤcklichen ſich in dies rauhe Gewand kleidete; er ſchien ein Zuchtmei-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/163>, abgerufen am 23.11.2024.