Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.licher Unmuth (menis) wäre. Er frißt am G 4
licher Unmuth (μηνις) waͤre. Er frißt am G 4
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licher Unmuth (μηνις) waͤre. Er frißt am
Herzen, und naget ab die Bluͤthe des Le-
bens; bei den menſchlichſten Geſinnungen
wird der Gekraͤnkte wider ſeinen Willen
ein Unmenſch. Die aͤlteſte griechiſche Phi-
loſophie ging dahinaus, das Gemuͤth der
Menſchen vor jedem Aeußerſten zu bewah-
ren; die aͤlteſte Philoſophie der Griechen
aber war bei den Dichtern. Mit Recht-
ſchaffenheit, Ruhm und Geſundheit ein
heiteres, frohes Leben fuͤhren zu koͤnnen,
ſtelleten ſie als den hoͤchſten Wunſch der
Sterblichen dar, und warnten vor jedem
Uebermaaße, vor jeder zu hart angeſeſſenen
Neigung. Wie klar muß es in der Seele
Homers geweſen ſeyn, da er, ſein ganzes
Gedicht hindurch, gleichſam die Waage
Jupiters in der Hand haltend, die Nei-
gungen und Charaktere der Menſchen gegen
einander im Streit und in Folgen abwog!
G 4
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Zitationshilfe: | Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/112>, abgerufen am 17.02.2025. |