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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

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zürnenden sehen wir in diese Reihe der
Dinge verflochten, in diesen ihm unver-
meidlichen Unfall. Konnte ein zarterer
Punct des menschlichen Herzens und Le-
bens zarter behandelt werden, als es der
Dichter gethan hat? Gemeine Seelen
wissen nichts vom edeln, göttlichen Unmuth;
wie manchem größeren Gemüth aber ist er
die Klippe des Glücks, seiner Brauchbar-
keit fürs gemeine Wesen, des häuslichen
und täglichen Wohlseyns, ja endlich des
Lebens selbst worden! Mehr als Ein Ge-
kränkter hat die Klagen angestimmt, die
Achill am Ufer des Meers seiner Mutter
zuseufzte; er konnte aber keinen andern
Trost hören, als jenem die Göttin selbst zu
geben vermochte.

3. Endlich, welch eine böse Sache ist
der Krieg! Und wie mißlich ist jede Re-
gierungsart unter den Menschen, so un-

zuͤrnenden ſehen wir in dieſe Reihe der
Dinge verflochten, in dieſen ihm unver-
meidlichen Unfall. Konnte ein zarterer
Punct des menſchlichen Herzens und Le-
bens zarter behandelt werden, als es der
Dichter gethan hat? Gemeine Seelen
wiſſen nichts vom edeln, goͤttlichen Unmuth;
wie manchem groͤßeren Gemuͤth aber iſt er
die Klippe des Gluͤcks, ſeiner Brauchbar-
keit fuͤrs gemeine Weſen, des haͤuslichen
und taͤglichen Wohlſeyns, ja endlich des
Lebens ſelbſt worden! Mehr als Ein Ge-
kraͤnkter hat die Klagen angeſtimmt, die
Achill am Ufer des Meers ſeiner Mutter
zuſeufzte; er konnte aber keinen andern
Troſt hoͤren, als jenem die Goͤttin ſelbſt zu
geben vermochte.

3. Endlich, welch eine boͤſe Sache iſt
der Krieg! Und wie mißlich iſt jede Re-
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[100/0109] zuͤrnenden ſehen wir in dieſe Reihe der Dinge verflochten, in dieſen ihm unver- meidlichen Unfall. Konnte ein zarterer Punct des menſchlichen Herzens und Le- bens zarter behandelt werden, als es der Dichter gethan hat? Gemeine Seelen wiſſen nichts vom edeln, goͤttlichen Unmuth; wie manchem groͤßeren Gemuͤth aber iſt er die Klippe des Gluͤcks, ſeiner Brauchbar- keit fuͤrs gemeine Weſen, des haͤuslichen und taͤglichen Wohlſeyns, ja endlich des Lebens ſelbſt worden! Mehr als Ein Ge- kraͤnkter hat die Klagen angeſtimmt, die Achill am Ufer des Meers ſeiner Mutter zuſeufzte; er konnte aber keinen andern Troſt hoͤren, als jenem die Goͤttin ſelbſt zu geben vermochte. 3. Endlich, welch eine boͤſe Sache iſt der Krieg! Und wie mißlich iſt jede Re- gierungsart unter den Menſchen, ſo un-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/109>, abgerufen am 25.11.2024.