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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

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ben wird mir niemand rauben: denn ich
habe ihn durch Erfahrung bewähret. Daß
selbst diese Großmuth aber, wie alles Andre,
das Gewand der Zeit tragen müße, kann
uns nicht unerwartet seyn. Weil wir so-
gar viel bedürfen, sind wir von gar viel
Feßeln gebunden; daß diese drückenden
Feßeln aber wenigstens der Großmuth loser
gemacht werden möchten, wer wünschet
dies mehr als die ächte Humanität selbst?
Fast kann sie ihres Wunsches auch nicht
ungewiß seyn, da bei dem immer wachsen-
den unersättlichen Bedürfniß die Natur der
Dinge selbst einen neuen Anfang herbeizu-
führen scheinet. Wenn jeder Einzelne fühlt,
er könne in seinem jetzigen Verhältniß der
leidenden Menschheit nicht zu Hülfe kom-
men, wie er sollte; so werden, so müßen
sich diese Verhältnisse mit der Zeit ändern.
Die Natur selbst arbeitet daran, und keine

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ben wird mir niemand rauben: denn ich
habe ihn durch Erfahrung bewaͤhret. Daß
ſelbſt dieſe Großmuth aber, wie alles Andre,
das Gewand der Zeit tragen muͤße, kann
uns nicht unerwartet ſeyn. Weil wir ſo-
gar viel beduͤrfen, ſind wir von gar viel
Feßeln gebunden; daß dieſe druͤckenden
Feßeln aber wenigſtens der Großmuth loſer
gemacht werden moͤchten, wer wuͤnſchet
dies mehr als die aͤchte Humanitaͤt ſelbſt?
Faſt kann ſie ihres Wunſches auch nicht
ungewiß ſeyn, da bei dem immer wachſen-
den unerſaͤttlichen Beduͤrfniß die Natur der
Dinge ſelbſt einen neuen Anfang herbeizu-
fuͤhren ſcheinet. Wenn jeder Einzelne fuͤhlt,
er koͤnne in ſeinem jetzigen Verhaͤltniß der
leidenden Menſchheit nicht zu Huͤlfe kom-
men, wie er ſollte; ſo werden, ſo muͤßen
ſich dieſe Verhaͤltniſſe mit der Zeit aͤndern.
Die Natur ſelbſt arbeitet daran, und keine

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[83/0088] ben wird mir niemand rauben: denn ich habe ihn durch Erfahrung bewaͤhret. Daß ſelbſt dieſe Großmuth aber, wie alles Andre, das Gewand der Zeit tragen muͤße, kann uns nicht unerwartet ſeyn. Weil wir ſo- gar viel beduͤrfen, ſind wir von gar viel Feßeln gebunden; daß dieſe druͤckenden Feßeln aber wenigſtens der Großmuth loſer gemacht werden moͤchten, wer wuͤnſchet dies mehr als die aͤchte Humanitaͤt ſelbſt? Faſt kann ſie ihres Wunſches auch nicht ungewiß ſeyn, da bei dem immer wachſen- den unerſaͤttlichen Beduͤrfniß die Natur der Dinge ſelbſt einen neuen Anfang herbeizu- fuͤhren ſcheinet. Wenn jeder Einzelne fuͤhlt, er koͤnne in ſeinem jetzigen Verhaͤltniß der leidenden Menſchheit nicht zu Huͤlfe kom- men, wie er ſollte; ſo werden, ſo muͤßen ſich dieſe Verhaͤltniſſe mit der Zeit aͤndern. Die Natur ſelbſt arbeitet daran, und keine F 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/88>, abgerufen am 26.11.2024.