Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Zeit ab, in der ein Mensch auf die Welt
tritt. (1773.)



"Gegen das viertägige Fieber und gegen
den Krieg deklamiren, ist gleich vergebliche
Arbeit. Die Regierungen lassen die Philo-
sophen schreien, und gehen ihren Weg; das
Fieber nimmt davon auch keine Kunde. Es
hat Kriege gegeben, so lange die Welt ist;
und wird Kriege geben, wenn wir nicht
mehr hier sind. Ein Arzt muß das Fieber
wegschaffen, nicht darüber satyrisiren."



"Ludwig XV. ist nicht mehr. Es war
ein guter Mann, der nur Einen Fehler
hatte, daß er König war. Laßet seinen
Schatten in Friede. Man darf empfindlich
seyn über das Unrecht, das man leidet;
man muß aber auch zu verzeihen wissen.


E 3

Zeit ab, in der ein Menſch auf die Welt
tritt. (1773.)



„Gegen das viertaͤgige Fieber und gegen
den Krieg deklamiren, iſt gleich vergebliche
Arbeit. Die Regierungen laſſen die Philo-
ſophen ſchreien, und gehen ihren Weg; das
Fieber nimmt davon auch keine Kunde. Es
hat Kriege gegeben, ſo lange die Welt iſt;
und wird Kriege geben, wenn wir nicht
mehr hier ſind. Ein Arzt muß das Fieber
wegſchaffen, nicht daruͤber ſatyriſiren.“



„Ludwig XV. iſt nicht mehr. Es war
ein guter Mann, der nur Einen Fehler
hatte, daß er Koͤnig war. Laßet ſeinen
Schatten in Friede. Man darf empfindlich
ſeyn uͤber das Unrecht, das man leidet;
man muß aber auch zu verzeihen wiſſen.


E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0074" n="69"/>
Zeit ab, in der ein Men&#x017F;ch auf die Welt<lb/>
tritt. (1773.)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>&#x201E;Gegen das vierta&#x0364;gige Fieber und gegen<lb/>
den Krieg deklamiren, i&#x017F;t gleich vergebliche<lb/>
Arbeit. Die Regierungen la&#x017F;&#x017F;en die Philo-<lb/>
&#x017F;ophen &#x017F;chreien, und gehen ihren Weg; das<lb/>
Fieber nimmt davon auch keine Kunde. Es<lb/>
hat Kriege gegeben, &#x017F;o lange die Welt i&#x017F;t;<lb/>
und wird Kriege geben, wenn <hi rendition="#g">wir</hi> nicht<lb/>
mehr hier &#x017F;ind. Ein Arzt muß das Fieber<lb/>
weg&#x017F;chaffen, nicht daru&#x0364;ber &#x017F;atyri&#x017F;iren.&#x201C;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>&#x201E;Ludwig <hi rendition="#aq">XV.</hi> i&#x017F;t nicht mehr. Es war<lb/>
ein guter Mann, der nur Einen Fehler<lb/>
hatte, daß er Ko&#x0364;nig war. Laßet &#x017F;einen<lb/>
Schatten in Friede. Man darf empfindlich<lb/>
&#x017F;eyn u&#x0364;ber das Unrecht, das man leidet;<lb/>
man muß aber auch zu verzeihen wi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">E 3</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0074] Zeit ab, in der ein Menſch auf die Welt tritt. (1773.) „Gegen das viertaͤgige Fieber und gegen den Krieg deklamiren, iſt gleich vergebliche Arbeit. Die Regierungen laſſen die Philo- ſophen ſchreien, und gehen ihren Weg; das Fieber nimmt davon auch keine Kunde. Es hat Kriege gegeben, ſo lange die Welt iſt; und wird Kriege geben, wenn wir nicht mehr hier ſind. Ein Arzt muß das Fieber wegſchaffen, nicht daruͤber ſatyriſiren.“ „Ludwig XV. iſt nicht mehr. Es war ein guter Mann, der nur Einen Fehler hatte, daß er Koͤnig war. Laßet ſeinen Schatten in Friede. Man darf empfindlich ſeyn uͤber das Unrecht, das man leidet; man muß aber auch zu verzeihen wiſſen. E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/74
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/74>, abgerufen am 28.11.2024.