Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

von Freigebigkeit ist selten bei den Regenten.
Ganganelli wird darüber in die Faust
lachen und bei sich selbst sagen: "auch die
Pforten der Hölle sollen sie nicht überwälti-
gen!" Und das geschieht im philosophischen,
im achtzehnten Jahrhundert! Wohlan nun,
ihr Herren Philosophen, bestrebt euch, be-
streitet den Irrthum, häuft Gründe auf
Gründe, um ihn in Staub zu legen; nie
werdet ihr es verhindern, daß nicht viele
Schwache über wenige Starke den Sieg
davon tragen sollten. Werfet die Vorur-
theile zur Thür hinaus; sie kommen zum
Fenster hinein. Ein Andächtler an der
Spitze des Staats, ein Ehrsüchtiger, den
sein Intereße mit dem Intereße der Kirche
bindet, wirft an Einem Tage um, was
zwanzig Jahre eurer Arbeiten kaum voll-
führt haben." (1771.)


"Ich

von Freigebigkeit iſt ſelten bei den Regenten.
Ganganelli wird daruͤber in die Fauſt
lachen und bei ſich ſelbſt ſagen: „auch die
Pforten der Hoͤlle ſollen ſie nicht uͤberwaͤlti-
gen!“ Und das geſchieht im philoſophiſchen,
im achtzehnten Jahrhundert! Wohlan nun,
ihr Herren Philoſophen, beſtrebt euch, be-
ſtreitet den Irrthum, haͤuft Gruͤnde auf
Gruͤnde, um ihn in Staub zu legen; nie
werdet ihr es verhindern, daß nicht viele
Schwache uͤber wenige Starke den Sieg
davon tragen ſollten. Werfet die Vorur-
theile zur Thuͤr hinaus; ſie kommen zum
Fenſter hinein. Ein Andaͤchtler an der
Spitze des Staats, ein Ehrſuͤchtiger, den
ſein Intereße mit dem Intereße der Kirche
bindet, wirft an Einem Tage um, was
zwanzig Jahre eurer Arbeiten kaum voll-
fuͤhrt haben.“ (1771.)


„Ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0069" n="64"/>
von Freigebigkeit i&#x017F;t &#x017F;elten bei den Regenten.<lb/><hi rendition="#g">Ganganelli</hi> wird daru&#x0364;ber in die Fau&#x017F;t<lb/>
lachen und bei &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;agen: &#x201E;auch die<lb/>
Pforten der Ho&#x0364;lle &#x017F;ollen &#x017F;ie nicht u&#x0364;berwa&#x0364;lti-<lb/>
gen!&#x201C; Und das ge&#x017F;chieht im philo&#x017F;ophi&#x017F;chen,<lb/>
im achtzehnten Jahrhundert! Wohlan nun,<lb/>
ihr Herren Philo&#x017F;ophen, be&#x017F;trebt euch, be-<lb/>
&#x017F;treitet den Irrthum, ha&#x0364;uft Gru&#x0364;nde auf<lb/>
Gru&#x0364;nde, um ihn in Staub zu legen; nie<lb/>
werdet ihr es verhindern, daß nicht viele<lb/>
Schwache u&#x0364;ber wenige Starke den Sieg<lb/>
davon tragen &#x017F;ollten. Werfet die Vorur-<lb/>
theile zur Thu&#x0364;r hinaus; &#x017F;ie kommen zum<lb/>
Fen&#x017F;ter hinein. Ein Anda&#x0364;chtler an der<lb/>
Spitze des Staats, ein Ehr&#x017F;u&#x0364;chtiger, den<lb/>
&#x017F;ein Intereße mit dem Intereße der Kirche<lb/>
bindet, wirft an Einem Tage um, was<lb/>
zwanzig Jahre eurer Arbeiten kaum voll-<lb/>
fu&#x0364;hrt haben.&#x201C; (1771.)</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Ich</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0069] von Freigebigkeit iſt ſelten bei den Regenten. Ganganelli wird daruͤber in die Fauſt lachen und bei ſich ſelbſt ſagen: „auch die Pforten der Hoͤlle ſollen ſie nicht uͤberwaͤlti- gen!“ Und das geſchieht im philoſophiſchen, im achtzehnten Jahrhundert! Wohlan nun, ihr Herren Philoſophen, beſtrebt euch, be- ſtreitet den Irrthum, haͤuft Gruͤnde auf Gruͤnde, um ihn in Staub zu legen; nie werdet ihr es verhindern, daß nicht viele Schwache uͤber wenige Starke den Sieg davon tragen ſollten. Werfet die Vorur- theile zur Thuͤr hinaus; ſie kommen zum Fenſter hinein. Ein Andaͤchtler an der Spitze des Staats, ein Ehrſuͤchtiger, den ſein Intereße mit dem Intereße der Kirche bindet, wirft an Einem Tage um, was zwanzig Jahre eurer Arbeiten kaum voll- fuͤhrt haben.“ (1771.) „Ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/69
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/69>, abgerufen am 28.11.2024.