Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Luthers Gedanken vom Pöbel und von
den Tyrannen.

"Die Heiden, weil sie nicht erkannt ha-
ben, daß weltliches Regiment Gottes Ord-
nung sei, (denn sie habens für ein mensch-
lich Glück und That gehalten,) die haben
frisch darein gegriffen, und nicht allein bil-
lig, sondern auch löblich gehalten, unnütze,
böse Obrigkeit abzusetzen, zu würgen und
zu verjagen. Es ist aber dahinten eine böse
Folge oder Exempel, daß wo es gebilligt
wird, Tyrannen zu morden oder zu verja-
gen, reißt es bald ein, und wird ein ge-
meiner Muthwille daraus, daß man Ty-
rannen schilt, die nicht Tyrannen sind, und
sie ermordet, wie es dem Pöbel in Sinn
kommt; als uns die römischen Historien
wohl zeigen, da sie manchen feinen Kaiser
tödteten, allein darum, daß er ihnen nicht

C 2

Luthers Gedanken vom Poͤbel und von
den Tyrannen.

„Die Heiden, weil ſie nicht erkannt ha-
ben, daß weltliches Regiment Gottes Ord-
nung ſei, (denn ſie habens fuͤr ein menſch-
lich Gluͤck und That gehalten,) die haben
friſch darein gegriffen, und nicht allein bil-
lig, ſondern auch loͤblich gehalten, unnuͤtze,
boͤſe Obrigkeit abzuſetzen, zu wuͤrgen und
zu verjagen. Es iſt aber dahinten eine boͤſe
Folge oder Exempel, daß wo es gebilligt
wird, Tyrannen zu morden oder zu verja-
gen, reißt es bald ein, und wird ein ge-
meiner Muthwille daraus, daß man Ty-
rannen ſchilt, die nicht Tyrannen ſind, und
ſie ermordet, wie es dem Poͤbel in Sinn
kommt; als uns die roͤmiſchen Hiſtorien
wohl zeigen, da ſie manchen feinen Kaiſer
toͤdteten, allein darum, daß er ihnen nicht

C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0040" n="35"/>
        <p>Luthers Gedanken vom Po&#x0364;bel und von<lb/>
den Tyrannen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Heiden, weil &#x017F;ie nicht erkannt ha-<lb/>
ben, daß weltliches Regiment Gottes Ord-<lb/>
nung &#x017F;ei, (denn &#x017F;ie habens fu&#x0364;r ein men&#x017F;ch-<lb/>
lich Glu&#x0364;ck und That gehalten,) die haben<lb/>
fri&#x017F;ch darein gegriffen, und nicht allein bil-<lb/>
lig, &#x017F;ondern auch lo&#x0364;blich gehalten, unnu&#x0364;tze,<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;e Obrigkeit abzu&#x017F;etzen, zu wu&#x0364;rgen und<lb/>
zu verjagen. Es i&#x017F;t aber dahinten eine bo&#x0364;&#x017F;e<lb/>
Folge oder Exempel, daß wo es gebilligt<lb/>
wird, Tyrannen zu morden oder zu verja-<lb/>
gen, reißt es bald ein, und wird ein ge-<lb/>
meiner Muthwille daraus, daß man Ty-<lb/>
rannen &#x017F;chilt, die nicht Tyrannen &#x017F;ind, und<lb/>
&#x017F;ie ermordet, wie es dem Po&#x0364;bel in Sinn<lb/>
kommt; als uns die ro&#x0364;mi&#x017F;chen Hi&#x017F;torien<lb/>
wohl zeigen, da &#x017F;ie manchen feinen Kai&#x017F;er<lb/>
to&#x0364;dteten, allein darum, daß er ihnen nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0040] Luthers Gedanken vom Poͤbel und von den Tyrannen. „Die Heiden, weil ſie nicht erkannt ha- ben, daß weltliches Regiment Gottes Ord- nung ſei, (denn ſie habens fuͤr ein menſch- lich Gluͤck und That gehalten,) die haben friſch darein gegriffen, und nicht allein bil- lig, ſondern auch loͤblich gehalten, unnuͤtze, boͤſe Obrigkeit abzuſetzen, zu wuͤrgen und zu verjagen. Es iſt aber dahinten eine boͤſe Folge oder Exempel, daß wo es gebilligt wird, Tyrannen zu morden oder zu verja- gen, reißt es bald ein, und wird ein ge- meiner Muthwille daraus, daß man Ty- rannen ſchilt, die nicht Tyrannen ſind, und ſie ermordet, wie es dem Poͤbel in Sinn kommt; als uns die roͤmiſchen Hiſtorien wohl zeigen, da ſie manchen feinen Kaiſer toͤdteten, allein darum, daß er ihnen nicht C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/40
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/40>, abgerufen am 25.11.2024.