Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

natürlichen Menschen nimmermehr ein-
fallen könnten.

Ich. Allenfalls dächte ich doch, so wie du
angenommen hast, daß alle Staaten
einerlei Verfassung hätten, daß sie auch
wohl alle Einerlei Religion haben könn-
ten. Ja ich begreife nicht, wie Einerlei
Staatsverfaßung ohne Einerlei Religion
auch nur möglich ist.

Er. Ich eben so wenig. Auch nahm ich
jenes nur an, um dir deine Ausflucht
abzuschneiden. Eines ist zuverläßig eben
so unmöglich, als das andre. Ein Staat,
mehrere Staaten. Mehrere Staaten,
mehrere Staatsverfassungen. Mehrere
Staatsverfassungen, mehrere Religio-
nen. -- Nun sieh da das zweite Un-
heil, welches die bürgerliche Gesellschaft
ganz ihrer Absicht entgegen verursacht.

natuͤrlichen Menſchen nimmermehr ein-
fallen koͤnnten.

Ich. Allenfalls daͤchte ich doch, ſo wie du
angenommen haſt, daß alle Staaten
einerlei Verfaſſung haͤtten, daß ſie auch
wohl alle Einerlei Religion haben koͤnn-
ten. Ja ich begreife nicht, wie Einerlei
Staatsverfaßung ohne Einerlei Religion
auch nur moͤglich iſt.

Er. Ich eben ſo wenig. Auch nahm ich
jenes nur an, um dir deine Ausflucht
abzuſchneiden. Eines iſt zuverlaͤßig eben
ſo unmoͤglich, als das andre. Ein Staat,
mehrere Staaten. Mehrere Staaten,
mehrere Staatsverfaſſungen. Mehrere
Staatsverfaſſungen, mehrere Religio-
nen. — Nun ſieh da das zweite Un-
heil, welches die buͤrgerliche Geſellſchaft
ganz ihrer Abſicht entgegen verurſacht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0141" n="136"/>
natu&#x0364;rlichen Men&#x017F;chen nimmermehr ein-<lb/>
fallen ko&#x0364;nnten.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Allenfalls da&#x0364;chte ich doch, &#x017F;o wie du<lb/>
angenommen ha&#x017F;t, daß alle Staaten<lb/>
einerlei Verfa&#x017F;&#x017F;ung ha&#x0364;tten, daß &#x017F;ie auch<lb/>
wohl alle Einerlei Religion haben ko&#x0364;nn-<lb/>
ten. Ja ich begreife nicht, wie Einerlei<lb/>
Staatsverfaßung ohne Einerlei Religion<lb/>
auch nur mo&#x0364;glich i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Er</hi>. Ich eben &#x017F;o wenig. Auch nahm ich<lb/>
jenes nur an, um dir deine Ausflucht<lb/>
abzu&#x017F;chneiden. Eines i&#x017F;t zuverla&#x0364;ßig eben<lb/>
&#x017F;o unmo&#x0364;glich, als das andre. Ein Staat,<lb/>
mehrere Staaten. Mehrere Staaten,<lb/>
mehrere Staatsverfa&#x017F;&#x017F;ungen. Mehrere<lb/>
Staatsverfa&#x017F;&#x017F;ungen, mehrere Religio-<lb/>
nen. &#x2014; Nun &#x017F;ieh da das <hi rendition="#g">zweite</hi> Un-<lb/>
heil, welches die bu&#x0364;rgerliche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
ganz ihrer Ab&#x017F;icht entgegen verur&#x017F;acht.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0141] natuͤrlichen Menſchen nimmermehr ein- fallen koͤnnten. Ich. Allenfalls daͤchte ich doch, ſo wie du angenommen haſt, daß alle Staaten einerlei Verfaſſung haͤtten, daß ſie auch wohl alle Einerlei Religion haben koͤnn- ten. Ja ich begreife nicht, wie Einerlei Staatsverfaßung ohne Einerlei Religion auch nur moͤglich iſt. Er. Ich eben ſo wenig. Auch nahm ich jenes nur an, um dir deine Ausflucht abzuſchneiden. Eines iſt zuverlaͤßig eben ſo unmoͤglich, als das andre. Ein Staat, mehrere Staaten. Mehrere Staaten, mehrere Staatsverfaſſungen. Mehrere Staatsverfaſſungen, mehrere Religio- nen. — Nun ſieh da das zweite Un- heil, welches die buͤrgerliche Geſellſchaft ganz ihrer Abſicht entgegen verurſacht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/141
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/141>, abgerufen am 05.12.2024.