Mit dem Leben des Menschen fängt seine Erziehung an: denn Kräfte und Glieder bringt er zwar auf die Welt, aber den Ge- brauch dieser Kräfte und Glieder, ihre An- wendung, ihre Entwicklung muß er lernen. Ein Zustand der Gesellschaft also, der die Erziehung vernachläßigt, oder auf falsche Wege lenkt, oder diese falsche Wege begün- stigt, oder endlich die Erziehung der Men- schen schwer und unmöglich macht, ist inso- fern ein unmenschlicher Zustand. Er beraubt sich selbst seiner Glieder und des Besten, das an ihnen ist, des Gebrauchs ihrer Kräfte. Wozu hätten sich Menschen vereinigt, als daß sie dadurch vollkommenere, bessere, glück- lichere Menschen würden?
habe Namen, wie es wolle, iſt unmenſch- lich.
4.
Mit dem Leben des Menſchen faͤngt ſeine Erziehung an: denn Kraͤfte und Glieder bringt er zwar auf die Welt, aber den Ge- brauch dieſer Kraͤfte und Glieder, ihre An- wendung, ihre Entwicklung muß er lernen. Ein Zuſtand der Geſellſchaft alſo, der die Erziehung vernachlaͤßigt, oder auf falſche Wege lenkt, oder dieſe falſche Wege beguͤn- ſtigt, oder endlich die Erziehung der Men- ſchen ſchwer und unmoͤglich macht, iſt inſo- fern ein unmenſchlicher Zuſtand. Er beraubt ſich ſelbſt ſeiner Glieder und des Beſten, das an ihnen iſt, des Gebrauchs ihrer Kraͤfte. Wozu haͤtten ſich Menſchen vereinigt, als daß ſie dadurch vollkommenere, beſſere, gluͤck- lichere Menſchen wuͤrden?
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habe Namen, wie es wolle, iſt unmenſch-
lich.
4.
Mit dem Leben des Menſchen faͤngt ſeine
Erziehung an: denn Kraͤfte und Glieder
bringt er zwar auf die Welt, aber den Ge-
brauch dieſer Kraͤfte und Glieder, ihre An-
wendung, ihre Entwicklung muß er lernen.
Ein Zuſtand der Geſellſchaft alſo, der die
Erziehung vernachlaͤßigt, oder auf falſche
Wege lenkt, oder dieſe falſche Wege beguͤn-
ſtigt, oder endlich die Erziehung der Men-
ſchen ſchwer und unmoͤglich macht, iſt inſo-
fern ein unmenſchlicher Zuſtand. Er beraubt
ſich ſelbſt ſeiner Glieder und des Beſten, das
an ihnen iſt, des Gebrauchs ihrer Kraͤfte.
Wozu haͤtten ſich Menſchen vereinigt, als
daß ſie dadurch vollkommenere, beſſere, gluͤck-
lichere Menſchen wuͤrden?
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/113>, abgerufen am 22.07.2024.
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