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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793.

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schreiben, so schreibet er sie meistens nur
vor Werke, deren er sich selbst schämet.

A. Das war Josephs Fall nicht. Er schrieb
selbst Gesetze.

B. Und größtentheils vortrefliche. Glauben
Sie aber, daß das ewige Gesetzschreiben
einem Regenten gnug ist, zur geistigen
Erheitrung, zur Verjüngung seiner
Seele? Friedrich las und schrieb blos
und allein zu Bildung seines Geistes,
zur Erfrischung und Ordnung seiner
Gedanken: dann vergaß er Politik und
Staatssorgen. Er lebte unter den Alten,
dachte mit ihnen, mit großen Männern
einer edlern Zeit. Er stärkte sich damit
in jener hohen Einfalt vester Grundsätze
und der Erfüllung seiner Pflichten; er
ward selbst ein Alter --

A. Welches alles freilich dem immer-thäti-
gen Joseph entgehen mußte! --

ſchreiben, ſo ſchreibet er ſie meiſtens nur
vor Werke, deren er ſich ſelbſt ſchaͤmet.

A. Das war Joſephs Fall nicht. Er ſchrieb
ſelbſt Geſetze.

B. Und groͤßtentheils vortrefliche. Glauben
Sie aber, daß das ewige Geſetzſchreiben
einem Regenten gnug iſt, zur geiſtigen
Erheitrung, zur Verjuͤngung ſeiner
Seele? Friedrich las und ſchrieb blos
und allein zu Bildung ſeines Geiſtes,
zur Erfriſchung und Ordnung ſeiner
Gedanken: dann vergaß er Politik und
Staatsſorgen. Er lebte unter den Alten,
dachte mit ihnen, mit großen Maͤnnern
einer edlern Zeit. Er ſtaͤrkte ſich damit
in jener hohen Einfalt veſter Grundſaͤtze
und der Erfuͤllung ſeiner Pflichten; er
ward ſelbſt ein Alter —

A. Welches alles freilich dem immer-thaͤti-
gen Joſeph entgehen mußte! —

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[130/0137] ſchreiben, ſo ſchreibet er ſie meiſtens nur vor Werke, deren er ſich ſelbſt ſchaͤmet. A. Das war Joſephs Fall nicht. Er ſchrieb ſelbſt Geſetze. B. Und groͤßtentheils vortrefliche. Glauben Sie aber, daß das ewige Geſetzſchreiben einem Regenten gnug iſt, zur geiſtigen Erheitrung, zur Verjuͤngung ſeiner Seele? Friedrich las und ſchrieb blos und allein zu Bildung ſeines Geiſtes, zur Erfriſchung und Ordnung ſeiner Gedanken: dann vergaß er Politik und Staatsſorgen. Er lebte unter den Alten, dachte mit ihnen, mit großen Maͤnnern einer edlern Zeit. Er ſtaͤrkte ſich damit in jener hohen Einfalt veſter Grundſaͤtze und der Erfuͤllung ſeiner Pflichten; er ward ſelbſt ein Alter — A. Welches alles freilich dem immer-thaͤti- gen Joſeph entgehen mußte! —

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/137>, abgerufen am 22.11.2024.