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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793.

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von Kindheit auf, so wie in Handlungen,
so auch in Wissenschaften, in Zeitvertreib
und Künsten die Phantasie schmückte. Un-
glücklich ist, wer lauter falsche Federn und
falsche Edelsteine an sich trug; glücklich und
dreimal glücklich, wem nur die Wahrheit
Schmuck ist, und der Quell einer theilneh-
menden Empfindung im Herzen quillet. Er
fühlt sich erquickt, wenn andre, blos Men-
schen von außen, rings um ihn winseln
und darben; im allgemeinen Gut, im Fort-
gange der Menschheit findet er sich gestärkt,
seine Brust breiter, sein Daseyn größer und
freier. --

Sein Daseyn größer und freier, fiel L.
ein: denn indem er sich über den schleichen-
den, alltäglichen Gang der Dinge erhoben
fühlet, athmet er ein reineres Element: er
vergißt den niedrigen Kummer, der ihm da
und dort das Herz drückte, wenn er den

von Kindheit auf, ſo wie in Handlungen,
ſo auch in Wiſſenſchaften, in Zeitvertreib
und Kuͤnſten die Phantaſie ſchmuͤckte. Un-
gluͤcklich iſt, wer lauter falſche Federn und
falſche Edelſteine an ſich trug; gluͤcklich und
dreimal gluͤcklich, wem nur die Wahrheit
Schmuck iſt, und der Quell einer theilneh-
menden Empfindung im Herzen quillet. Er
fuͤhlt ſich erquickt, wenn andre, blos Men-
ſchen von außen, rings um ihn winſeln
und darben; im allgemeinen Gut, im Fort-
gange der Menſchheit findet er ſich geſtaͤrkt,
ſeine Bruſt breiter, ſein Daſeyn groͤßer und
freier. —

Sein Daſeyn groͤßer und freier, fiel L.
ein: denn indem er ſich uͤber den ſchleichen-
den, alltaͤglichen Gang der Dinge erhoben
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[6/0013] von Kindheit auf, ſo wie in Handlungen, ſo auch in Wiſſenſchaften, in Zeitvertreib und Kuͤnſten die Phantaſie ſchmuͤckte. Un- gluͤcklich iſt, wer lauter falſche Federn und falſche Edelſteine an ſich trug; gluͤcklich und dreimal gluͤcklich, wem nur die Wahrheit Schmuck iſt, und der Quell einer theilneh- menden Empfindung im Herzen quillet. Er fuͤhlt ſich erquickt, wenn andre, blos Men- ſchen von außen, rings um ihn winſeln und darben; im allgemeinen Gut, im Fort- gange der Menſchheit findet er ſich geſtaͤrkt, ſeine Bruſt breiter, ſein Daſeyn groͤßer und freier. — Sein Daſeyn groͤßer und freier, fiel L. ein: denn indem er ſich uͤber den ſchleichen- den, alltaͤglichen Gang der Dinge erhoben fuͤhlet, athmet er ein reineres Element: er vergißt den niedrigen Kummer, der ihm da und dort das Herz druͤckte, wenn er den

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/13>, abgerufen am 21.11.2024.