B. Das war das Schicksal des Monar- chen; setzen Sie noch das Verhängniß hinzu, das ihn, als Menschen traf. Das Einzige, was er in seinem Hause mit Zärtlichkeit liebt, der letzte Gegen- stand seiner Familienhoffnung wird ihm genommen; und damit der Schmerz so empfindlicher sey, eben nach dem Auf- blick der Freude, unerwartet genommen! Sein Liebling muß so dicht vor ihm das Opfer des Grabes werden, daß seine Leiche die Ihrige aus dem Kaiserhause gleichsam wegdrängt, und sein Leben sich nur so lange zu fristen scheint, damit vor seinen Augen noch dessen letzte Freude zerknickt werde! -- "Begrabet sie, sprach er, damit für meine Leiche Platz werde!" Ein einziges Schicksal!
A. Der Unglückliche konnte zuletzt nicht sagen: "ich kam, ich sah, ich
B. Das war das Schickſal des Monar- chen; ſetzen Sie noch das Verhaͤngniß hinzu, das ihn, als Menſchen traf. Das Einzige, was er in ſeinem Hauſe mit Zaͤrtlichkeit liebt, der letzte Gegen- ſtand ſeiner Familienhoffnung wird ihm genommen; und damit der Schmerz ſo empfindlicher ſey, eben nach dem Auf- blick der Freude, unerwartet genommen! Sein Liebling muß ſo dicht vor ihm das Opfer des Grabes werden, daß ſeine Leiche die Ihrige aus dem Kaiſerhauſe gleichſam wegdraͤngt, und ſein Leben ſich nur ſo lange zu friſten ſcheint, damit vor ſeinen Augen noch deſſen letzte Freude zerknickt werde! — „Begrabet ſie, ſprach er, damit fuͤr meine Leiche Platz werde!“ Ein einziges Schickſal!
A. Der Ungluͤckliche konnte zuletzt nicht ſagen: „ich kam, ich ſah, ich
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B. Das war das Schickſal des Monar-
chen; ſetzen Sie noch das Verhaͤngniß
hinzu, das ihn, als Menſchen traf.
Das Einzige, was er in ſeinem Hauſe
mit Zaͤrtlichkeit liebt, der letzte Gegen-
ſtand ſeiner Familienhoffnung wird ihm
genommen; und damit der Schmerz ſo
empfindlicher ſey, eben nach dem Auf-
blick der Freude, unerwartet genommen!
Sein Liebling muß ſo dicht vor ihm das
Opfer des Grabes werden, daß ſeine
Leiche die Ihrige aus dem Kaiſerhauſe
gleichſam wegdraͤngt, und ſein Leben ſich
nur ſo lange zu friſten ſcheint, damit vor
ſeinen Augen noch deſſen letzte Freude
zerknickt werde! — „Begrabet ſie, ſprach
er, damit fuͤr meine Leiche Platz werde!“
Ein einziges Schickſal!
A. Der Ungluͤckliche konnte zuletzt
nicht ſagen: „ich kam, ich ſah, ich
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/127>, abgerufen am 16.02.2025.
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