suche ich in ihm das Bild der Gottheit, das ihm, wie die Theologen sagen, aufgeprägt worden. Jeder Mensch hat ein wildes Thier in sich; wenige wissen es zu bändigen, die meisten lassen ihm den Zügel, wenn die Furcht der Gesetze sie nicht zurückhält.
"Vielleicht findet ihr mich zu menschen- feindlich. Ich bin krank; ich leide; und habe mit einem Halbdutzend *** und *** zu thun, die einen Sokrates und Antonin selbst außer Faßung bringen möchten. Ihr seyd glücklich, dem Rath des Candide zu folgen und euren Garten zu bauen; nicht Jedermann in der Welt kann es so gut ha- ben. Der Ochs muß den Pflug ziehen, wie die Nachtigall singen, der Delphin schwim- men, und ich Krieg führen.
"Je mehr ich dies Handwerk treibe, desto mehr überrede ich mich, daß das Glück
ſuche ich in ihm das Bild der Gottheit, das ihm, wie die Theologen ſagen, aufgepraͤgt worden. Jeder Menſch hat ein wildes Thier in ſich; wenige wiſſen es zu baͤndigen, die meiſten laſſen ihm den Zuͤgel, wenn die Furcht der Geſetze ſie nicht zuruͤckhaͤlt.
„Vielleicht findet ihr mich zu menſchen- feindlich. Ich bin krank; ich leide; und habe mit einem Halbdutzend *** und *** zu thun, die einen Sokrates und Antonin ſelbſt außer Faßung bringen moͤchten. Ihr ſeyd gluͤcklich, dem Rath des Candide zu folgen und euren Garten zu bauen; nicht Jedermann in der Welt kann es ſo gut ha- ben. Der Ochs muß den Pflug ziehen, wie die Nachtigall ſingen, der Delphin ſchwim- men, und ich Krieg fuͤhren.
„Je mehr ich dies Handwerk treibe, deſto mehr uͤberrede ich mich, daß das Gluͤck
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0118"n="111"/>ſuche ich in ihm das Bild der Gottheit, das<lb/>
ihm, wie die Theologen ſagen, aufgepraͤgt<lb/>
worden. Jeder Menſch hat ein wildes Thier<lb/>
in ſich; wenige wiſſen es zu baͤndigen, die<lb/>
meiſten laſſen ihm den Zuͤgel, wenn die<lb/>
Furcht der Geſetze ſie nicht zuruͤckhaͤlt.</p><lb/><p>„Vielleicht findet ihr mich zu menſchen-<lb/>
feindlich. Ich bin krank; ich leide; und<lb/>
habe mit einem Halbdutzend *** und ***<lb/>
zu thun, die einen Sokrates und Antonin<lb/>ſelbſt außer Faßung bringen moͤchten. Ihr<lb/>ſeyd gluͤcklich, dem Rath des Candide zu<lb/>
folgen und euren Garten zu bauen; nicht<lb/>
Jedermann in der Welt kann es ſo gut ha-<lb/>
ben. Der Ochs muß den Pflug ziehen, wie<lb/>
die Nachtigall ſingen, der <choice><sic>Delpihn</sic><corr>Delphin</corr></choice>ſchwim-<lb/>
men, und ich Krieg fuͤhren.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>„Je mehr ich dies Handwerk treibe,<lb/>
deſto mehr uͤberrede ich mich, daß das Gluͤck<lb/></p></div></body></text></TEI>
[111/0118]
ſuche ich in ihm das Bild der Gottheit, das
ihm, wie die Theologen ſagen, aufgepraͤgt
worden. Jeder Menſch hat ein wildes Thier
in ſich; wenige wiſſen es zu baͤndigen, die
meiſten laſſen ihm den Zuͤgel, wenn die
Furcht der Geſetze ſie nicht zuruͤckhaͤlt.
„Vielleicht findet ihr mich zu menſchen-
feindlich. Ich bin krank; ich leide; und
habe mit einem Halbdutzend *** und ***
zu thun, die einen Sokrates und Antonin
ſelbſt außer Faßung bringen moͤchten. Ihr
ſeyd gluͤcklich, dem Rath des Candide zu
folgen und euren Garten zu bauen; nicht
Jedermann in der Welt kann es ſo gut ha-
ben. Der Ochs muß den Pflug ziehen, wie
die Nachtigall ſingen, der Delphin ſchwim-
men, und ich Krieg fuͤhren.
„Je mehr ich dies Handwerk treibe,
deſto mehr uͤberrede ich mich, daß das Gluͤck
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/118>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.