muth, der ihre Lebensart und ihr Hauswesen, ihre Erzie- hung und Regierung, ihre Geschäfte und Gebräuche zu Kriegs- und Friedenszeiten bildet. Jn Lastern und Tugen- den ein Einziger Charakter auf unsrer runden Erde!
Und wie kamen sie zu diesem Charakter? Mich dünkt, auch hier erklärt ihr allmälicher Uebergang aus Nordasien und die Beschaffenheit dieser neuen Weltgegend sehr vieles. Als rohe und harte Nationen kamen sie herüber: zwischen Stürmen und Gebürgen waren sie gebildet; als sie nun die Küste überstanden hatten und das große, freie, schönere Land vor sich fanden, muste sich nicht auch ihr Charakter mit der Zeit zu diesem Lande bilden? Zwischen großen Seen und Strömen, in diesen Wäldern, auf diesen Wiesen form- ten sich andre Nationen, als dort auf jenem rauhen und kal- ten Abhange zum Meer. Wie Seen, Gebürge und Strö- me sich theilten, theilten sich die Völkerschaften: Stämme mit Stämmen geriethen in heftige Kriege, daher auch bei denen sonst gleichmüthigsten Nationen jener Kriegshaß der Völker unter einander ein herrschender Zug wurde. Zu krie- gerischen Stämmen bildeten sie sich also und verleibten sich allen Gegenständen des Landes ein, das ihnen ihr großer Geist gegeben. Sie haben die Schamanenreligion der Nordasiaten, aber auf Amerikanische Weise. Jhre gesunde
Luft,
muth, der ihre Lebensart und ihr Hausweſen, ihre Erzie- hung und Regierung, ihre Geſchaͤfte und Gebraͤuche zu Kriegs- und Friedenszeiten bildet. Jn Laſtern und Tugen- den ein Einziger Charakter auf unſrer runden Erde!
Und wie kamen ſie zu dieſem Charakter? Mich duͤnkt, auch hier erklaͤrt ihr allmaͤlicher Uebergang aus Nordaſien und die Beſchaffenheit dieſer neuen Weltgegend ſehr vieles. Als rohe und harte Nationen kamen ſie heruͤber: zwiſchen Stuͤrmen und Gebuͤrgen waren ſie gebildet; als ſie nun die Kuͤſte uͤberſtanden hatten und das große, freie, ſchoͤnere Land vor ſich fanden, muſte ſich nicht auch ihr Charakter mit der Zeit zu dieſem Lande bilden? Zwiſchen großen Seen und Stroͤmen, in dieſen Waͤldern, auf dieſen Wieſen form- ten ſich andre Nationen, als dort auf jenem rauhen und kal- ten Abhange zum Meer. Wie Seen, Gebuͤrge und Stroͤ- me ſich theilten, theilten ſich die Voͤlkerſchaften: Staͤmme mit Staͤmmen geriethen in heftige Kriege, daher auch bei denen ſonſt gleichmuͤthigſten Nationen jener Kriegshaß der Voͤlker unter einander ein herrſchender Zug wurde. Zu krie- geriſchen Staͤmmen bildeten ſie ſich alſo und verleibten ſich allen Gegenſtaͤnden des Landes ein, das ihnen ihr großer Geiſt gegeben. Sie haben die Schamanenreligion der Nordaſiaten, aber auf Amerikaniſche Weiſe. Jhre geſunde
Luft,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0068"n="56"/>
muth, der ihre Lebensart und ihr Hausweſen, ihre Erzie-<lb/>
hung und Regierung, ihre Geſchaͤfte und Gebraͤuche zu<lb/>
Kriegs- und Friedenszeiten bildet. Jn Laſtern und Tugen-<lb/>
den ein Einziger Charakter auf unſrer runden Erde!</p><lb/><p>Und wie kamen ſie zu dieſem Charakter? Mich duͤnkt,<lb/>
auch hier erklaͤrt ihr allmaͤlicher Uebergang aus Nordaſien<lb/>
und die Beſchaffenheit dieſer neuen Weltgegend ſehr vieles.<lb/>
Als rohe und harte Nationen kamen ſie heruͤber: zwiſchen<lb/>
Stuͤrmen und Gebuͤrgen waren ſie gebildet; als ſie nun die<lb/>
Kuͤſte uͤberſtanden hatten und das große, freie, ſchoͤnere<lb/>
Land vor ſich fanden, muſte ſich nicht auch ihr Charakter<lb/>
mit der Zeit zu dieſem Lande bilden? Zwiſchen großen Seen<lb/>
und Stroͤmen, in dieſen Waͤldern, auf dieſen Wieſen form-<lb/>
ten ſich andre Nationen, als dort auf jenem rauhen und kal-<lb/>
ten Abhange zum Meer. Wie Seen, Gebuͤrge und Stroͤ-<lb/>
me ſich theilten, theilten ſich die Voͤlkerſchaften: Staͤmme<lb/>
mit Staͤmmen geriethen in heftige Kriege, daher auch bei<lb/>
denen ſonſt gleichmuͤthigſten Nationen jener Kriegshaß der<lb/>
Voͤlker unter einander ein herrſchender Zug wurde. Zu krie-<lb/>
geriſchen Staͤmmen bildeten ſie ſich alſo und verleibten ſich<lb/>
allen Gegenſtaͤnden des Landes ein, das ihnen ihr <hirendition="#fr">großer<lb/>
Geiſt</hi> gegeben. Sie haben die Schamanenreligion der<lb/>
Nordaſiaten, aber auf Amerikaniſche Weiſe. Jhre geſunde<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Luft,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[56/0068]
muth, der ihre Lebensart und ihr Hausweſen, ihre Erzie-
hung und Regierung, ihre Geſchaͤfte und Gebraͤuche zu
Kriegs- und Friedenszeiten bildet. Jn Laſtern und Tugen-
den ein Einziger Charakter auf unſrer runden Erde!
Und wie kamen ſie zu dieſem Charakter? Mich duͤnkt,
auch hier erklaͤrt ihr allmaͤlicher Uebergang aus Nordaſien
und die Beſchaffenheit dieſer neuen Weltgegend ſehr vieles.
Als rohe und harte Nationen kamen ſie heruͤber: zwiſchen
Stuͤrmen und Gebuͤrgen waren ſie gebildet; als ſie nun die
Kuͤſte uͤberſtanden hatten und das große, freie, ſchoͤnere
Land vor ſich fanden, muſte ſich nicht auch ihr Charakter
mit der Zeit zu dieſem Lande bilden? Zwiſchen großen Seen
und Stroͤmen, in dieſen Waͤldern, auf dieſen Wieſen form-
ten ſich andre Nationen, als dort auf jenem rauhen und kal-
ten Abhange zum Meer. Wie Seen, Gebuͤrge und Stroͤ-
me ſich theilten, theilten ſich die Voͤlkerſchaften: Staͤmme
mit Staͤmmen geriethen in heftige Kriege, daher auch bei
denen ſonſt gleichmuͤthigſten Nationen jener Kriegshaß der
Voͤlker unter einander ein herrſchender Zug wurde. Zu krie-
geriſchen Staͤmmen bildeten ſie ſich alſo und verleibten ſich
allen Gegenſtaͤnden des Landes ein, das ihnen ihr großer
Geiſt gegeben. Sie haben die Schamanenreligion der
Nordaſiaten, aber auf Amerikaniſche Weiſe. Jhre geſunde
Luft,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/68>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.