Wie glücklich könnte Jndostan seyn, wenn nicht Men- schenhände sich vereinigt hätten, den Garten der Natur zu verwüsten und die unschuldigste der Menschengestalten mit Aberglauben und Unterdrückung zu quälen. Die Hindus sind der sanftmüthigste Stamm der Menschen. Kein Leben- diges beleidigen sie gern: sie ehren was Leben bringt und nähren sich mit der unschuldigsten Speise, der Milch, dem Reis, den Baumfrüchten, den gesunden Kräutern, die ihnen ihr Mutterland darbeut. Jhre Gestalt, sagt ein neuer Reisenderb), ist gerade, schlank und schön, ihre Glieder fein proportionirt, ihre Finger lang und zarttastend, ihr Gesicht offen und gefällig, die Züge desselben sind bey dem weiblichen Geschlecht die zartesten Linien der Schönheit, bei dem männlichen einer männlich-sanften Seele. Jhr Gang und ihr ganzes Tragen des Körpers ist im höchsten Grad anmuthig und reizend." Die Beine und Schenkel, die in allen nordöstlichen Ländern litten oder Affenartig verkürzt waren, verlängern sich hier und tragen eine sprießende Men- schenschönheit. Selbst die Mogolische Bildung, die sich mit diesem Geschlecht vermählte, hat sich in Würde und
Freund-
b)Makingtosn travels Vol. I. p. 321.
Jdeen,II.Th. D
Wie gluͤcklich koͤnnte Jndoſtan ſeyn, wenn nicht Men- ſchenhaͤnde ſich vereinigt haͤtten, den Garten der Natur zu verwuͤſten und die unſchuldigſte der Menſchengeſtalten mit Aberglauben und Unterdruͤckung zu quaͤlen. Die Hindus ſind der ſanftmuͤthigſte Stamm der Menſchen. Kein Leben- diges beleidigen ſie gern: ſie ehren was Leben bringt und naͤhren ſich mit der unſchuldigſten Speiſe, der Milch, dem Reis, den Baumfruͤchten, den geſunden Kraͤutern, die ihnen ihr Mutterland darbeut. Jhre Geſtalt, ſagt ein neuer Reiſenderb), iſt gerade, ſchlank und ſchoͤn, ihre Glieder fein proportionirt, ihre Finger lang und zarttaſtend, ihr Geſicht offen und gefaͤllig, die Zuͤge deſſelben ſind bey dem weiblichen Geſchlecht die zarteſten Linien der Schoͤnheit, bei dem maͤnnlichen einer maͤnnlich-ſanften Seele. Jhr Gang und ihr ganzes Tragen des Koͤrpers iſt im hoͤchſten Grad anmuthig und reizend.„ Die Beine und Schenkel, die in allen nordoͤſtlichen Laͤndern litten oder Affenartig verkuͤrzt waren, verlaͤngern ſich hier und tragen eine ſprießende Men- ſchenſchoͤnheit. Selbſt die Mogoliſche Bildung, die ſich mit dieſem Geſchlecht vermaͤhlte, hat ſich in Wuͤrde und
Freund-
b)Makingtoſn travels Vol. I. p. 321.
Jdeen,II.Th. D
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0037"n="25"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Wie gluͤcklich koͤnnte Jndoſtan ſeyn, wenn nicht Men-<lb/>ſchenhaͤnde ſich vereinigt haͤtten, den Garten der Natur zu<lb/>
verwuͤſten und die unſchuldigſte der Menſchengeſtalten mit<lb/>
Aberglauben und Unterdruͤckung zu quaͤlen. Die <hirendition="#fr">Hindus</hi><lb/>ſind der ſanftmuͤthigſte Stamm der Menſchen. Kein Leben-<lb/>
diges beleidigen ſie gern: ſie ehren was Leben bringt und<lb/>
naͤhren ſich mit der unſchuldigſten Speiſe, der Milch, dem<lb/>
Reis, den Baumfruͤchten, den geſunden Kraͤutern, die<lb/>
ihnen ihr Mutterland darbeut. Jhre Geſtalt, ſagt ein<lb/>
neuer Reiſender<noteplace="foot"n="b)"><hirendition="#aq">Makingtoſn travels Vol. I. p.</hi> 321.</note>, iſt gerade, ſchlank und ſchoͤn, ihre<lb/>
Glieder fein proportionirt, ihre Finger lang und zarttaſtend,<lb/>
ihr Geſicht offen und gefaͤllig, die Zuͤge deſſelben ſind bey<lb/>
dem weiblichen Geſchlecht die zarteſten Linien der Schoͤnheit,<lb/>
bei dem maͤnnlichen einer maͤnnlich-ſanften Seele. Jhr<lb/>
Gang und ihr ganzes Tragen des Koͤrpers iſt im hoͤchſten<lb/>
Grad anmuthig und reizend.„ Die Beine und Schenkel, die<lb/>
in allen nordoͤſtlichen Laͤndern litten oder Affenartig verkuͤrzt<lb/>
waren, verlaͤngern ſich hier und tragen eine ſprießende Men-<lb/>ſchenſchoͤnheit. Selbſt die Mogoliſche Bildung, die ſich<lb/>
mit dieſem Geſchlecht vermaͤhlte, hat ſich in Wuͤrde und<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Freund-</fw><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Jdeen,</hi><hirendition="#aq">II.</hi><hirendition="#fr">Th.</hi> D</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[25/0037]
Wie gluͤcklich koͤnnte Jndoſtan ſeyn, wenn nicht Men-
ſchenhaͤnde ſich vereinigt haͤtten, den Garten der Natur zu
verwuͤſten und die unſchuldigſte der Menſchengeſtalten mit
Aberglauben und Unterdruͤckung zu quaͤlen. Die Hindus
ſind der ſanftmuͤthigſte Stamm der Menſchen. Kein Leben-
diges beleidigen ſie gern: ſie ehren was Leben bringt und
naͤhren ſich mit der unſchuldigſten Speiſe, der Milch, dem
Reis, den Baumfruͤchten, den geſunden Kraͤutern, die
ihnen ihr Mutterland darbeut. Jhre Geſtalt, ſagt ein
neuer Reiſender b), iſt gerade, ſchlank und ſchoͤn, ihre
Glieder fein proportionirt, ihre Finger lang und zarttaſtend,
ihr Geſicht offen und gefaͤllig, die Zuͤge deſſelben ſind bey
dem weiblichen Geſchlecht die zarteſten Linien der Schoͤnheit,
bei dem maͤnnlichen einer maͤnnlich-ſanften Seele. Jhr
Gang und ihr ganzes Tragen des Koͤrpers iſt im hoͤchſten
Grad anmuthig und reizend.„ Die Beine und Schenkel, die
in allen nordoͤſtlichen Laͤndern litten oder Affenartig verkuͤrzt
waren, verlaͤngern ſich hier und tragen eine ſprießende Men-
ſchenſchoͤnheit. Selbſt die Mogoliſche Bildung, die ſich
mit dieſem Geſchlecht vermaͤhlte, hat ſich in Wuͤrde und
Freund-
b) Makingtoſn travels Vol. I. p. 321.
Jdeen, II. Th. D
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/37>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.