der Ursitz der Menschen und also auch die stärkste Bewohnung der Welt war, sind ja noch jetzt offenbar die ältesten Einrich- tungen, die ältesten Gebräuche und Sprachen, von denen dieser westliche Stammbaum eines spätern Volks nichts wuß- te und wissen konnte. Es ist eben so fremde, zu fragen: ob der Sinese von Kain oder Abel d. i. aus einer Troglodyten- Hirten- oder Ackercaste abstamme? als wo das amerikanische Faulthier im Kasten Noah gehangen habe? Doch dergleichen Erläuterungen darf ich mich hier nicht überlassen: ja selbst die Untersuchung eines für unsre Geschichte so wichtigen Punkts, als die Verkürzung der menschlichen Lebensjahre und die ge- nannte große Ueberschwemmung selbst ist, muß einen andern Ort erwarten. Gnug! der veste Mittelpunkt des größesten Welttheils, das Urgebürge Asiens hat dem Menschengeschlecht den ersten Wohnplatz bereitet und sich in allen Revolutionen der Erde vest erhalten. Mit nichten erst durch die Sündfluth aus dem Abgrunde des Meers emporgestiegen, sondern sowohl der Naturgeschichte als der ältesten Tradition zufolge, das Urland der Menschheit, ward es der erste große Schauplatz der Völker, dessen lehrreichen Anblick wir jetzt verfolgen.
der Urſitz der Menſchen und alſo auch die ſtaͤrkſte Bewohnung der Welt war, ſind ja noch jetzt offenbar die aͤlteſten Einrich- tungen, die aͤlteſten Gebraͤuche und Sprachen, von denen dieſer weſtliche Stammbaum eines ſpaͤtern Volks nichts wuß- te und wiſſen konnte. Es iſt eben ſo fremde, zu fragen: ob der Sineſe von Kain oder Abel d. i. aus einer Troglodyten- Hirten- oder Ackercaſte abſtamme? als wo das amerikaniſche Faulthier im Kaſten Noah gehangen habe? Doch dergleichen Erlaͤuterungen darf ich mich hier nicht uͤberlaſſen: ja ſelbſt die Unterſuchung eines fuͤr unſre Geſchichte ſo wichtigen Punkts, als die Verkuͤrzung der menſchlichen Lebensjahre und die ge- nannte große Ueberſchwemmung ſelbſt iſt, muß einen andern Ort erwarten. Gnug! der veſte Mittelpunkt des groͤßeſten Welttheils, das Urgebuͤrge Aſiens hat dem Menſchengeſchlecht den erſten Wohnplatz bereitet und ſich in allen Revolutionen der Erde veſt erhalten. Mit nichten erſt durch die Suͤndfluth aus dem Abgrunde des Meers emporgeſtiegen, ſondern ſowohl der Naturgeſchichte als der aͤlteſten Tradition zufolge, das Urland der Menſchheit, ward es der erſte große Schauplatz der Voͤlker, deſſen lehrreichen Anblick wir jetzt verfolgen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0356"n="344"/>
der Urſitz der Menſchen und alſo auch die ſtaͤrkſte Bewohnung<lb/>
der Welt war, ſind ja noch jetzt offenbar die aͤlteſten Einrich-<lb/>
tungen, die aͤlteſten Gebraͤuche und Sprachen, von denen<lb/>
dieſer weſtliche Stammbaum eines ſpaͤtern Volks nichts wuß-<lb/>
te und wiſſen konnte. Es iſt eben ſo fremde, zu fragen: ob<lb/>
der Sineſe von Kain oder Abel d. i. aus einer Troglodyten-<lb/>
Hirten- oder Ackercaſte abſtamme? als wo das amerikaniſche<lb/>
Faulthier im Kaſten Noah gehangen habe? Doch dergleichen<lb/>
Erlaͤuterungen darf ich mich hier nicht uͤberlaſſen: ja ſelbſt die<lb/>
Unterſuchung eines fuͤr unſre Geſchichte ſo wichtigen Punkts,<lb/>
als die Verkuͤrzung der menſchlichen Lebensjahre und die ge-<lb/>
nannte große Ueberſchwemmung ſelbſt iſt, muß einen andern<lb/>
Ort erwarten. Gnug! der veſte Mittelpunkt des groͤßeſten<lb/>
Welttheils, das Urgebuͤrge Aſiens hat dem Menſchengeſchlecht<lb/>
den erſten Wohnplatz bereitet und ſich in allen Revolutionen<lb/>
der Erde veſt erhalten. Mit nichten erſt durch die Suͤndfluth<lb/>
aus dem Abgrunde des Meers emporgeſtiegen, ſondern ſowohl<lb/>
der Naturgeſchichte als der aͤlteſten Tradition zufolge, das<lb/>
Urland der Menſchheit, ward es der erſte große Schauplatz<lb/>
der Voͤlker, deſſen lehrreichen Anblick wir jetzt verfolgen.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></body><back></back></text></TEI>
[344/0356]
der Urſitz der Menſchen und alſo auch die ſtaͤrkſte Bewohnung
der Welt war, ſind ja noch jetzt offenbar die aͤlteſten Einrich-
tungen, die aͤlteſten Gebraͤuche und Sprachen, von denen
dieſer weſtliche Stammbaum eines ſpaͤtern Volks nichts wuß-
te und wiſſen konnte. Es iſt eben ſo fremde, zu fragen: ob
der Sineſe von Kain oder Abel d. i. aus einer Troglodyten-
Hirten- oder Ackercaſte abſtamme? als wo das amerikaniſche
Faulthier im Kaſten Noah gehangen habe? Doch dergleichen
Erlaͤuterungen darf ich mich hier nicht uͤberlaſſen: ja ſelbſt die
Unterſuchung eines fuͤr unſre Geſchichte ſo wichtigen Punkts,
als die Verkuͤrzung der menſchlichen Lebensjahre und die ge-
nannte große Ueberſchwemmung ſelbſt iſt, muß einen andern
Ort erwarten. Gnug! der veſte Mittelpunkt des groͤßeſten
Welttheils, das Urgebuͤrge Aſiens hat dem Menſchengeſchlecht
den erſten Wohnplatz bereitet und ſich in allen Revolutionen
der Erde veſt erhalten. Mit nichten erſt durch die Suͤndfluth
aus dem Abgrunde des Meers emporgeſtiegen, ſondern ſowohl
der Naturgeſchichte als der aͤlteſten Tradition zufolge, das
Urland der Menſchheit, ward es der erſte große Schauplatz
der Voͤlker, deſſen lehrreichen Anblick wir jetzt verfolgen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/356>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.